Alle können von Nachhaltigkeit profitieren - wir persönlich, die Gesellschaft und unser Planet
Facetten des Transfers
Eine Zukunft, in der Natur und Klima geschützt werden, weniger Menschen Not leiden und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt wird: Diese und weitere Ziele verfolgt Deutschland mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie. Zur Erreichung dieser Ziele trägt auch die Universität Heidelberg bei, die sich dem Thema aus verschiedenen Richtungen widmet. Der gerade frisch initiierte partizipative Prozess zur Entwicklung einer universitären Nachhaltigkeitsstrategie mit den Handlungsdimensionen Forschung, Lehre, Transfer, Kommunikation und Betrieb wird von der Leitung des Heidelberg Center for Environment (HCE) koordiniert.
Dr. Max Jungmann, Geschäftsführer des HCE, beschreibt im Interview mit Transfermanagerin Ursula Stricker ein Projekt, das eines der drängenden Themen unseres Alltags unter Einbeziehung zahlreicher Stakeholder aus Wissenschaft und Praxis in den Blick nimmt. Er zeigt dabei die Herausforderungen eines konkreten Transferprozesses und mögliche Lösungsansätze, um so nachhaltige Wirkung zu erzielen, nicht nur durch die Einsicht, dass dringend gehandelt werden muss, sondern auch in der Kunst, die Problemlage so herunterbrechen, dass sie lösbar erscheint. Dazu Max Jungmann: „Wenn alles gut läuft, profitieren viele Akteure gleichzeitig und vor allem wir als Gesellschaft in Heidelberg, und in der Welt.“
Wer sind Sie? Möchten Sie sich zuerst einmal vorstellen?
Mein Name ist Max Jungmann, ich bin Geschäftsführer des Heidelberg Center for the Environment (HCE) an der Universität Heidelberg. Das HCE ist ein interdisziplinäres Zentrum, das alle unterschiedlichen Bereiche der Universität Heidelberg zusammenbringt, die zu Umweltthemen forschen und lehren. Parallel dazu bin ich, unter anderem, als Geschäftsführer von Momentum Novum an verschieden Ecken und Enden unterwegs, um die Brücke zwischen Wissen und Handeln mit Blick auf Nachhaltigkeitsherausforderungen zu bauen. Insbesondere wenn es darum geht, in Unternehmen, in Kommunen nachhaltigere Lösungsansätze zu entwickeln.
Beschreiben Sie uns bitte Ihr Transferprojekt – eines Ihrer Transferprojekte.
Ich würde da gerne eines aus dem HCE hervorheben, an dem wir gerade arbeiten. Da geht es um hochauflösende Emissionsinformationen. Der aktuelle Arbeitstitel ist „Hyperlocal Information for Climate Action“ und es hat eine ganz starke Transfer- oder auch Transdisziplinaritätskomponente drin, weil es darum geht, in Städte oder in Kommunen reinzuzoomen und das Unsichtbare sichtbar zu machen, nämlich die Treibhausgasemissionen. Wir wollen ermöglichen, dass wir auf Ebene von Stadtvierteln oder sogar Straßenzügen sehen, messen und modellieren können, wo Emissionen herkommen, wie sie sich entwickeln und was wir vor allem tun können, um sie zu reduzieren. Und da spielt der Austausch mit der Gesellschaft, mit der Politik, mit der Wirtschaft eine ganz zentrale Rolle für uns.
Was sind die Transferkomponenten daran?
Die unterschiedlichen Stakeholder sind schon in das Forschungsdesign mit eingebunden. Wir haben also in der Ideenfindung mit verschiedenen Akteuren, sowohl Vertreterinnen und Vertreter aus Städten als auch aus verschiedenen Unternehmen hier in der Region, zusammengearbeitet, um zu identifizieren: Was sind eigentlich die drängenden Fragen, die Herausforderungen, wo lohnt es sich, noch tiefer reinzugehen um auch hier wieder diese Knowledge Action Gap, also die Kluft zwischen Wissen und Handeln, zu überbrücken. Wir haben dann diese Fragen integriert in wirklich exzellente, auch disziplinäre Forschung. In den einzelnen Fachrichtungen muss man genauso nah und gut am aktuellen Wissenschaftsstand dran sein, um auch dort konkurrieren zu können mit anderen wissenschaftlichen Projekten in diesem Feld. Dazu gehört auch, das in einen nächsten Schritt über Disziplingrenzen hinweg zusammenzubringen. Das wiederum ist gleichzeitig eine große Herausforderung, weil man erstmal eine gemeinsame Sprache finden und in dieser Forschungskomponente die unterschiedlichen gesellschaftlichen Problemstellungen bearbeiten muss, um sie anschließend wieder in die Gesellschaft zu tragen. Das ist ein iterativer Prozess in kontinuierlicher Weiterentwicklung, so dass unsere Forschung nicht nur in der Wissenschaft bleibt, sondern auch wirklich eine Wirkung entfalten kann. Ich halte das für ganz zentral bei diesem Projekt, weil es um Klimahandeln geht. Uns läuft einfach die Zeit davon, als Gesellschaft, als internationale Gemeinschaft, auch überhaupt die großen internationalen Ziele, wie sie zum Beispiel im Pariser Abkommen festgehalten sind, noch zu erreichen. Und da hoffen wir, dass wir den Unterschied machen können durch die enge Verzahnung zwischen Forschung und Anwendung.
Damit ist der Bereich des Transfers eigentlich auch schon beschrieben.
Der Transfer in dem Projekt hat unterschiedliche Komponenten. Das hängt auch von den Stakeholdern ab. Wenn unser Antrag erfolgreich ist, arbeiten wir beispielsweise hoffentlich mit der Digitalagentur Heidelberg zusammen, die uns verschiedene Daten liefert, mit denen wir forschen können, aber wir liefern wiederum auch wieder Daten, mit denen die Digitalagentur dann zum Beispiel in der Stadt Heidelberg die Stadtplanung effektiver gestalten und so Emissionen reduzieren kann. Wenn alles gut läuft, profitieren viele Akteure gleichzeitig und vor allem wir als Gesellschaft in Heidelberg, und in der Welt.
Was bedeutet Transfer für Sie persönlich, warum machen Sie Transfer?
Für mich persönlich bedeutet Transfer vor allem ein umfassendes und idealerweise auch ganzheitliches Verständnis von Transfer, bei dem es darum geht, nicht aus einer Perspektive Ideen oder Wissen einfach nur zu transferieren, in der Hoffnung, dass andere das annehmen, sondern dass es ein gegenseitiges Kennenlernen und vor allem ein kontinuierlicher Lernprozess ist. Offen in diesen Prozess reinzugehen und voneinander neue Ideen aufzunehmen und dann miteinander, teilweise auch individuell, Lösungsansätze zu entwickeln, die immer wieder testen und so etwas entwickeln, was auch wirklich eine Wirkung entfalten kann.
Haben Sie einen Tipp für andere Mitglieder der Universität, die sich für das Thema Transfer und Innovation interessieren?
Ich finde, es ist ganz zentral, dass man diese Neugier bewahrt und nicht – was schnell passieren kann in Wissenschaftssystemen, wo man gegebenenfalls seine größte Anerkennung findet – zu sehr von sich selbst überzeugt ist und damit ausblendet, welche interessanten Ansätze und Ideen andere haben; auch wenn das am Anfang gegen die bisherige Sozialisation, auch die akademische Sozialisation, spricht. Also sich da auch selbst immer wieder herauszufordern und zuzuhören, wirklich zuzuhören, aktiv zuzuhören und nicht nur, um so zu tun und zu zeigen, ja, ich höre das, sondern, diese echte Neugier aufrechtzuerhalten und dann für sich selbst zu entscheiden, wo man seine Energie wirklich effektiv einsetzen kann.