COP29 „In Solidarity for a Green World“
Heidelberger Studentin berichtet von Weltklimakonferenz
Ende November fand die 29. UN-Weltklimakonferenz in Baku, Aserbaidschan, statt. Als Jugenddelegierte der NAJU (Naturschutzjugend im deutschen Naturschutzbund NABU) nahm die Heidelberger Psychologie-Studentin Annika Sauer an der Konferenz teil. Ihr Ziel war es, die Interessen der Jugend in die Entscheidungsfindung einzubringen, doch ihr Fazit von der COP29 (29th Conference of the Parties) ist ernüchternd. Eindrücklich berichtet die 21-Jährige von zähen Verhandlungen, widersprüchlichen Erlebnissen und zehrenden Rahmenbedingungen.
Annika Sauer: Die COP29 ist nun schon seit einiger Zeit beendet. Die Medienberichte abgeklungen und alles ist nur noch Erinnerung. Was bleibt, sind Erfahrungen und Eindrücke – und davon sehr viele! In Baku, Aserbaidschan, fand vom 11. bis 23. November die UN-Weltklimakonferenz statt, bei der sich fast alle Staaten der Welt ausgetauscht haben, wie sie im Klimaschutz vorgehen wollen. Wobei manche Staaten scheinbar die Aufgabe der COP nicht wirklich verstanden haben, denn die Verhandlungen in Baku waren zäh, schwierig und wurden immer wieder blockiert. Zeitweise musste man fürchten, große Rückschritte in Sachen CO2-Neutralität und fossilen Ausstieg zu machen. Mit dem Geld wurde gegeizt und die Ergebnisse, die nach Verlängerung erst in den frühen Morgenstunden der Nacht von Samstag auf Sonntag getroffen wurden, bleiben stark hinter den Erwartungen, aber vor allem hinter dem, was eigentlich nötig wäre, zurück.
Die Verhandlungen in Baku waren zäh, schwierig und wurden immer wieder blockiert.
Für die Naturschutzjugend war ich vor Ort in Baku dabei und habe mich für die Forderungen und Perspektiven der Jugend eingesetzt. Als junge Aktivistin hatte man es dabei nicht immer leicht und auch ganz persönlich war die Teilnahme an der COP29, die meine erste Klimakonferenz war, eine große Herausforderung. Zu den schwierigen Umständen und Rahmenbedingungen hat der Austragungsort Baku in Aserbaidschan beigetragen. Bereits im Vorfeld der COP wurden kritische Journalist*innen festgenommen und während der Konferenz war überall zu spüren, dass es sich hier um einen autoritären Ölstaat handelt, der die Gespräche zum Thema Klimaschutz, Klimagerechtigkeit und Klimafinanzierung leitet. Das Konferenzgelände im Stadion bestand aus einer riesigen Zelt-Container-Stadt ohne Tageslicht und ohne frische Luft. Betrieben wurde diese Stadt von vielen Dieselgeneratoren, deren Geruch auf allen Wegen kaum zu ignorieren war. Innen an den Wänden prangte überall „In Solidarity for a Green World“, während in den Verhandlungsräumen die Solidarität kaum spürbar war.
Vor diesem widersprüchlichen Hintergrund wundert es wenig, dass sich die (jungen) Klimaaktivist*innen auf dieser COP in Baku so schwertaten. Protestaktionen, um auf die Dringlichkeit des fossilen Ausstiegs und der Klimafinanzierung aufmerksam zu machen, durften nur in speziell dafür vorgesehenen Bereichen stattfinden und mussten weit im Voraus angemeldet werden. Genauestens musste man angeben, wie laut der Protest sein wird, wie viele Leute teilnehmen, welche Sprüche auf den Bannern zu sehen sein werden und wie der Wortlaut der Protestreden und Parolen sein würde. Die Verhandlungen gestalteten sich zunehmend intransparent, je weiter die Konferenz fortschritt. Räume wurden kurzfristig geändert, Texte viel zu spät oder gar nicht versendet und teilweise keine Beobachter*innen in den Raum gelassen – die Begründungen dafür nicht immer ganz nachvollziehbar.
Die Intransparenz zeigte sich nicht nur rund um die Verhandlungen, sondern zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte COP. Wenn man zum ersten Mal einen Fuß in diese riesige Veranstaltung setzt, kann man schnell die Orientierung verlieren. Es braucht zunächst mindestens einige Tage, um sich auf dem Gelände vollständig zurecht zu finden, die Prozesse zu verstehen und den Überblick über die vielen gleichzeitig stattfindenden Veranstaltungen zu behalten. Wer mit wem kommuniziert, kooperiert und hinter verschlossenen Türen über welche Themen spricht, wird nicht klar. Wer überhaupt vor Ort ist, ist auch nicht klar. Woher weiß man, ob man gerade mit einem Politiker, Verhandler oder eventuell einem Lobbyisten aus der Ölindustrie spricht? Auf dem Badge ist oft nur das Land zu lesen, von dem die Person offiziell delegiert wurde und die Länder dürfen schicken, wen sie wollen. So haben ca. 1800 „Vertreter wichtiger Unternehmen“ (Original-Zitat), auch bekannt als Lobbyist*innen für fossile Energien den Weg nach Baku genommen. Diesen gegenüber standen ca. 350 Klimaaktivist*innen aus Umweltorganisationen, bei denen zum allergrößten Teil die Organisation sehr deutlich auf dem Badge zu lesen war.
Wer mit wem kommuniziert, kooperiert und hinter verschlossenen Türen über welche Themen spricht, wird nicht klar.
Auf der COP kommt man mit Leuten ins Gespräch. Darunter, wenn man Glück hat, auch einflussreiche und bedeutende Politiker*innen und Verhandlungsführer*innen. Diesen versucht man dann, seine Sichtweise auf die Dinge zu berichten und sie von den eigenen Standpunkten zu überzeugen. Man versucht außerdem, von ihnen wertvolle Informationen über den aktuellen Verhandlungsstand zu erfahren. Bei diesen Gesprächen herrscht permanenter Zeitdruck. Alle haben viele Termine, hetzen von einem zum nächsten und schauen akribisch auf die Uhr. Die angesprochenen Themen werden vorher sorgfältig ausgesucht und festgelegt und dann eins nach dem anderen kurz und knackig abgehandelt. Mit ein bisschen Glück ist am Ende noch Zeit für ein Foto. Als junge Person auf der COP muss man aufpassen, dass aus diesen Fotos nicht mehr gemacht wird als sie tatsächlich sind. Es ist immer schön, wenn ein Politiker/eine Politikerin sagen kann, er oder sie habe sich mit jungen Menschen getroffen und ausgetauscht, doch wenn der Austausch kurz und einseitig war, war es dann ein ernsthafter Austausch?
Nicht nur die hochrangigen Politiker*innen und Verhandler*innen haben einen straffen Terminkalender auf der Konferenz. Schlafmangel, Überarbeitung und Mangelernährung sind keine seltenen Phänomene unter COP-Teilnehmer*innen (und das liegt nicht nur an den horrenden Preisen und nicht vorhandenem vegetarischen Essen). Ob es selbstgemachter Stress ist oder ob er von außen kommt, verschwimmt. Da alle im Stress sind und unter einer extremen körperlichen und mentalen Belastung stehen, gerät man nahezu automatisch in eine Art Dauerstressmodus. Ein Tag auf der COP beginnt zwischen 8 und 9 Uhr und endet oft nicht vor 22 Uhr. Im Hotel geht die Arbeit teilweise weiter, wenn noch E-Mails oder neue Verhandlungstexte gelesen werden müssen. Die Arbeitsbelastung ist extrem hoch, es gibt so viele Veranstaltungen und Aktionen, an denen man teilnehmen kann, dass die Arbeit kein Ende findet, wenn man ihr keines setzt.
All diese außergewöhnlichen Situationen haben viel Willenskraft und Durchhaltevermögen gekostet. Die Motivation zu finden, jeden Tag wieder aufs Neue gegen die dicken Mauern der verhandelnden und blockierenden Staaten zu rennen, ging nicht im Alleingang. Auf der COP habe ich viele wundervolle gemeinschaftliche Erfahrungen gemacht. Gemeinsam mit anderen Umwelt- und Jugendorganisationen aus Deutschland und aller Welt haben wir immer wieder den Kampfgeist aufrechterhalten und unsere Willenskraft gestärkt. Wir haben uns unterstützt und Informationen ausgetauscht, Proteste gemeinsam organisiert und unsere Erfahrungen untereinander geteilt oder auch einfach nur nebeneinandergesessen und uns Gesellschaft geleistet beim gemeinsamen Ausharren. Diese Kooperation und Verbundenheit im Kampf für das gleiche Thema zu spüren, war wertvoll und macht mir Mut für die Zukunft.
Die Motivation zu finden, jeden Tag wieder aufs Neue gegen die dicken Mauern der verhandelnden und blockierenden Staaten zu rennen, ging nicht im Alleingang.
Ich habe mich mit vielen Aktivist*innen aus dem globalen Süden und auch aus repressiven Staaten unterhalten. Ihre Kraft und Ausdauer, sich für den Klimaschutz einzusetzen, ist inspirierend und gibt Hoffnung. Außerdem haben diese Gespräche mir noch einmal deutlich aufgezeigt, in welcher privilegierten Position wir uns in Deutschland und dem globalen Norden befinden. Es hat meine Sichtweise auf die Welt verändert und dabei vor allem erweitert. Wir alle sind unterschiedlich und haben unterschiedliche Beiträge zum Klimawandel geleistet, vor allem werden wir die Auswirkungen der Erderwärmung auf unterschiedliche Art und Weise und in anderer Heftigkeit zu spüren bekommen. Das ist nicht fair! Wir sind dennoch alle miteinander verbunden und wir sind alle Bewohner*innen dieser Erde. Im Kampf für Klimagerechtigkeit zeigt sich diese Verbundenheit mehr denn je!
Nachdem ich meine Teilnahme und Wirkung vor Ort immer wieder hinterfragt habe, möchte ich noch auf ein paar der schönsten oder für mich bedeutsamsten Momente dieser außergewöhnlichen 17 Tage in Baku eingehen. Meine ersten Verhandlungen zum Thema Artikel 6 und Mitigation (Minderung von Erderwärmung) waren aufregend und spannend. Während ich bei Artikel 6 nur noch in den Overflow-Room kam, wo die Übertragung nicht funktionierte und sich das Verhandlungsthema als unglaublich unverständlich und technisch erwies, wurde in Mitigation zunächst mehrere Tage darüber gestritten, ob man überhaupt verhandeln möchte. Hautnah mitzuerleben, was gesprochen und wie gesprochen wird, war eindrucksvoll und lehrreich.
Geerdet und frische Energie haben mir die Telefonate in die Heimat gegeben, von denen wir gleich zwei hatten. Einmal durften wir beim NABU-Infoforum für Hauptamtliche des NABU und der NAJU von unseren Erfahrungen vor Ort berichten und viele neugierige Fragen beantworten und beim zweiten Mal haben wir uns den Fragen der Teilnehmenden des Youthhub in Berlin, der parallel zur COP stattfand, gestellt. Zu hören, dass Interesse an internationaler Klimapolitik und unserer Arbeit vor Ort besteht, hat dieser einen Sinn verliehen – nämlich von hinter den Kulissen berichten zu können. Ebenso motivierend war das große mediale Interesse und die zahlreichen Gespräche, die ich mit empathischen, interessierten und involvierten Journalist*innen führen durfte. Ein in der FAZ erschienener Artikel lenkte sogar die Aufmerksamkeit des ARD auf die Delegation der NAJU und sorgte somit dafür, dass ich zum ersten Mal im Leben Teil eines Fernsehdrehs wurde.
Aufregend und kräftezehrend, aber auch beflügelnd war die Ehre, die mir zu Teil wurde, Robert Habeck und Jennifer Morgan im Namen der Jugendorganisationen aus Deutschland ein Geschenk überreichen zu dürfen. In einer Box als Dominostein gestaltet mit der Message „1,5°C“ befanden sich viele kleine, bunte Dominosteine mit Wünschen und Forderungen unterschiedlicher junger Menschen aus ganz Deutschland. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Beiden in Ruhe einen genaueren Blick auf die Steine werfen. Ein eindrucksvolles Erlebnis war die von mir unter extremem Druck und in aller Eile organisierte Protestaktion zum fossilen Ausstieg. Gemeinsam mit vielen motivierten Aktivist*innen haben wir Banner gestaltet, Texte verfasst und dann gemeinsam voller Leidenschaft und unter großer medialer Präsenz verkündet, wie wichtig die Verhinderung der weiteren Erderwärmung für die Zukunft aller Bewohner*innen dieses Planeten ist und dass kein Geld der Welt je genug sein wird, wenn nicht die Ursachen des Klimawandels bekämpft werden.
Kein Geld der Welt wird je genug sein, wenn nicht die Ursachen des Klimawandels bekämpft werden.
Was bleibt nun also von der COP außer diesen Erinnerungen und gesammelten Erfahrungen? Der Einsatz für eine gerechte Zukunft und eine grüne Welt geht weiter – getreu dem Motto der COP29: „In Solidarity for a Green World“. Die ernüchternden Ergebnisse dieser COP29 werden auf der COP30 in Brasilien erneut diskutiert. Der Kampf um Klimagerechtigkeit ist ein gemeinsamer. Wertvolle Kontakte und Netzwerke aus Baku bleiben erhalten und umspannen die ganze Welt. Für alle bleibt das gemeinsame Ziel: Den Klimawandel aufzuhalten und eine lebenswerte Zukunft für alle Lebewesen auf diesem Planeten zu schaffen!
Text: Annika Sauer
Zur Autorin
Annika Sauer studiert Psychologie im dritten Bachelorsemester an der Universität Heidelberg. Seit 2021 engagiert sie sich in der NAJU – zunächst als Landesvorstand (Position Kassenwart) in Hessen, später auch auf Bundesebene, unter anderem als Mitglied im Kompetenznetzwerk gegen Rechtsextremismus. Neben dem aktiven Handeln gegen Vereinnahmung im Naturschutz setzt sie sich insbesondere für die Themen Inklusion, Nachwuchsförderung und Jugendbeteiligung ein.