Sandro Moraldo Ein Italiener aus der Kurpfalz

Den Germanistik-Professor und Heidelberg-Alumnus Sandro Moraldo zieht es regelmäßig in seine „zweite Heimat“ zurück

Sandro Moraldo mit seiner Tochter

Auch 20 Jahre nach seinem Wegzug aus Heidelberg hängt Prof. Dr. Sandro Moraldo immer noch mit Leib und Seele an der Stadt und ihrer Universität: „Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren – dieser Satz trifft auf mich voll und ganz zu!“, erzählt er lachend. Der italienische Germanistik-Professor ist das Parade-Beispiel eines Alumnus, der weder als deutscher noch als ausländischer Ehemaliger klassifiziert werden kann: Moraldo wuchs als italienisches „Gastarbeiterkind“ mit kurpfälzischem Dialekt in Heidelberg auf, studierte an der Ruperto Carola und ging vor 20 Jahren der Liebe wegen nach Mailand, wo er seither lebt. Inzwischen lehrt der 51-Jährige an der Universität Bologna – kommt aber regelmäßig nach Heidelberg zurück, sowohl beruflich als auch privat.

Von der ältesten Universität Deutschlands bin ich jetzt an die älteste Universität der Welt gekommen.

Sandro Moraldo

„Von der ältesten Universität Deutschlands bin ich jetzt an die älteste Universität der Welt gekommen“, erzählt  Moraldo, der in Bologna Professor für Deutsche Literatur, Kultur und Linguistik ist und in Mailand lebt. Seiner Schulbildung und seinem Studium in Deutschland habe er sehr viel zu verdanken, denn beides sei „exzellent“ gewesen: „Mir kommen nicht nur meine Englischkenntnisse sehr zugute – in Italien pflegt man Fremdsprachen weniger. Vor allem habe ich an der Universität Heidelberg kritisches Hinterfragen gelernt – das ist in Italien leider oft nicht so üblich.“ Dort werde an den Universitäten reines Faktenwissen vermittelt, es gebe aber keine Erziehung zu kritischem Denken, wie er das in Deutschland erlebt habe. „Das Erlebte versuche ich jetzt in meinen eigenen Seminaren weiterzugeben!“

„Deutschland ist jetzt zu meiner zweiten Heimat geworden – aber meine Wissenschaftssprache ist nach wie vor Deutsch“, erklärt Moraldo, der sich selbst nicht vorrangig als Italiener oder als Deutschen sieht. „Ich schreibe alles auf Deutsch, publiziere fast ausschließlich in deutschen Verlagen, und ich denke auch auf Deutsch.“ Aus Italien möchte er aber nicht mehr wegziehen, „es lebt sich hier einfach anders“. Moraldos neunjährige Tochter wächst zweisprachig auf, er spricht mit ihr Deutsch, seine Frau  Italienisch. Ihretwegen ist er vor 20 Jahren nach Italien gegangen – geplant war die Rückkehr ins Land seiner Eltern nicht: „Aber hier in Italien gibt es ein Sprichwort: Dem Herzen befiehlt man nicht!“, sagt Moraldo. Zum Glück habe er damals eine Stelle an der Katholischen Universität in Mailand bekommen, „und ich habe es nie bereut“.

Sandro Moraldo

Während seiner Zeit in Heidelberg studierte Moraldo ein Fach, das es an der Ruperto Carola damals als eigenständiges Fach eigentlich genauso wenig gab wie heute. Er studierte Germanistik und Romanistik, besuchte aber auch Lehrveranstaltungen der Slavisten, wo er einem Professor auffiel, der ihm empfahl, mit einer Ausnahmegenehmigung Komparatistik – also Vergleichende Literaturwissenschaft – zu studieren. Er stellte einen entsprechenden Antrag beim Dekanat und konnte tatsächlich im Nebenfach Komparatistik studieren, was dann bei seiner Promotion zum Hauptfach wurde. „Diese Komparatistik-Ausbildung hat mir viele akademische Türen geöffnet, denn in Mailand habe ich von 1999 bis 2003 und dann noch mal 2009/2010 den Komparatistik-Lehrstuhl vertreten, weil ich damals einer der wenigen Italiener – wenn nicht sogar der einzige – war, der eine ‚komparatistische Ausbildung’ hatte.“

 Bis heute kommt Moraldo regelmäßig zurück nach Heidelberg, und das nicht nur, weil seine beiden Brüder immer noch in der Kurpfalz wohnen. Mit dem Seminar für Deutsch als Fremdsprachenphilologie an der Universität hat er einen Erasmus-Austausch für Dozenten initiiert, in dessen Rahmen er im vergangenen Sommer in der Neckarstadt war. Auch für 2011 ist wieder ein solcher Austausch geplant. Außerdem war Moraldo als Teilnehmer und auch als Dozent bei der Summer School 2010 von Heidelberg Alumni International (HAI) zum Thema „Deutsch als Fremdsprache und Literatur erfolgreich unterrichten“ beteiligt: „Das war für mich eine Art Liebesbekenntnis zu meiner Alma Mater.“ Aus Forschungsgründen besucht er auch immer wieder das Institut für deutsche Sprache in Mannheim, das durch eine Kooperation mit der Ruperto Carola verbunden ist.

Ganz dick eingetragen in Moraldos Terminkalender sind die Heidelberger Alumni-Jubiläums-Tage im Juni 2011. Bis dahin soll auch die Gründung eines italienischen HAI-Clubs möglichst weit gediehen sein – auch daran beteiligt sich Moraldo, der eine Tendenz zum „Monolinguismus“ in Italien befürchtet, weil die Berlusconi-Regierung den Englisch-Unterricht in den Schulen verstärken will und damit der Deutsch-Unterricht geschwächt zu werden droht. „Ein neuer Club könnte ein zusätzlicher Anstoß für die Stärkung der deutschen Sprache und Kultur sein“, hofft Moraldo. Er will jedenfalls alles dafür tun, in Italien für Deutschland und die Ruperto Carola zu werben: „Denn ich kann Heidelberg gar nicht genug danken!“

(Erscheinungsjahr 2010)