Olympia Morata „An Geist größer als ein Mann“

Olympia Morata – die erste Alumna

Porträt von Olympia Morata

Mit ihrem Olympia-Morata-Programm fördert die Universität Heidelberg hervorragende Nachwuchswissenschaftlerinnen, die nach ihrer Promotion selbstständige Forschungsleistungen erbracht haben und sich habilitieren oder vergleichbar qualifizieren möchten. Doch wer war die Frau, nach der diese Förderung von Frauen in der Wissenschaft benannt ist? Olympia Fulvia Morata, die der Humanist Johann Herold „von Gestalt ein Weib, an Geist aber größer als ein Mann“ nannte, war eine von Humanismus und Reformation geprägte Dichterin und Gelehrte aus Italien, die 1555 in Heidelberg starb. Ihre Verbindung zur Universität Heidelberg liegt darin, dass sie wohl als erste Frau im Kreise der Lehrenden aufgenommen wurde – damit war sie gewissermaßen die erste Alumna der Ruperto Carola.

Als Frau ward ich geboren, doch verließ ich die Sache der Frauen, Spinnrad und Webkunst und Nadel und Wollkorb. Mir gefielen die Blumenwiesen der Musen, der doppelgipfelige Parnaß und die freudenspendenden Chöre. Möge andere Damen hinreißen ihr eigenes Vergnügen: Mein Ruhm ist dies, und meine Freude.

Olympia Morata

So beschreibt sich in der Übersetzung eines Gedichts aus dem Jahr 1540 die damals 14-jährige Olympia, die zu dieser Zeit als Wunderkind gilt. Geboren wird sie 1526 im italienischen Ferrara, ihr Vater Pellegrino Fulvio Morato ist ein weltoffener Humanist, Calvinist, Gelehrter und Pädagoge, der die Söhne des Herzogs in Latein und Griechisch unterrichtet. Schon früh erkennt er die Begabung seiner ältesten Tochter und unterrichtet sie in Latein und antiker Literatur. 1539 wird die 13-jährige Olympia Studiengefährtin der ältesten Herzogtochter und erhält so eine humanistische Ausbildung durch den aus Schweinfurt stammenden Arzt und Gräzisten Johann Sinapius, der 1530/31 in Heidelberg eine Professur für Griechisch innehatte, und dessen Bruder Kilian, ebenfalls Gräzist und Jurist. In dieser Zeit beeindruckt Olympia Hof und Gelehrte mit lateinischen Schriften, darunter Übersetzungen der ersten beiden Novellen von Boccaccios „Decamerone“, sowie einer mit 15 Jahren gehaltenen Vorlesung über Ciceros „Paradoxa Stoicorum“. Sie eignet sich auch schnell Griechisch an und verfasst elegante Prosa, Gedichte und Briefe, so dass sie „kleine Sappho“ genannt wird.

Als ihr Vater schwer erkrankt, verlässt Olympia 1548 den Hof und widmet sich bis zu seinem Tod seiner Pflege und der Erziehung ihrer jüngeren Schwestern und ihres Bruders Emilio. Vom Vater und dem Familienfreund Coelio Secundo Curione – einem der ersten Italiener, der sich für die Lehre der deutschen Reformatoren begeistert und deswegen später Italien verlassen muss – zum evangelischen Glauben gebracht, beschäftigt sich Olympia nun intensiver mit dem Studium theologischer Werke. Sie lernt den wie die Gebrüder Senapius aus Schweinfurt stammenden Arzt und Glaubensbruder Andreas Grundler kennen, heiratet ihn und geht 1550 mit ihm und ihrem achtjährigen Bruder Emilio nach Schweinfurt, wo Grundler Stadtarzt wird.

Es folgt eine glückliche Zeit, in der Olympia nicht nur Emilio, sondern auch die Tochter von Johann Sinapius in Latein und Griechisch unterrichtet, ihre literarische Tätigkeit fortsetzt und sich reformatorischen Schriften widmet. Doch nach der Zerstörung der Stadt im Zweiten Markgrafenkrieg 1554 muss die Familie fliehen, wobei Olympia erkrankt, wovon sie sich nicht mehr richtig erholen soll. Man findet schließlich Aufnahme beim Grafen Georg II. von Erbach und dessen Frau Elisabeth, die die kranke Olympia pflegt. Wohl durch ihre Vermittlung als auch die des Heidelberger Griechischprofessors Jacob Micyllus wird Andreas Grundler auf den dritten Lehrstuhl für Medizin der Ruperto Carola berufen – und Olympia soll an der Universität Griechisch unterrichten.

Überliefert ist Olympia Moratas Berufung an die Universität nur an einer Stelle: In seinen Annalen schreibt Hubert Thomas Leodius, der Sekretär des Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz: „Beide wurden sie von unserem Fürsten hierher aufgenommen zur Zierde für seine Universität, er, um sich der Medizin zu widmen, sie, damit sie den Umgang mit griechischen Texten lehre. Dies hat sie bis jetzt hinausgeschoben, da sie von Krankheit befallen ist. Ich hoffe dennoch, dass im Verlauf der Zeit der Verlust wieder aufzuholen sein wird.“ Dem Altphilologen Prof. Dr. Niklas Holzberg zufolge zweifelten in den späteren Jahrhunderten Biographen Olympia Moratas deren Berufung an die Universität immer wieder an. „Eine stichhaltige Begründung für das Bezweifeln der Aussage eines Mannes, der als enger Vertrauter des für Berufungen letztendlich zuständigen Kurfürsten schließlich wissen musste, was er da schrieb, gibt freilich keiner der Morata-Biographen“, schreibt Holzberg, „ja, dass man es bei dem wenig überzeugenden Verweis auf das Schweigen der übrigen Quellen bewenden lässt, verrät m. E. nur allzu deutlich, dass hier eben wieder einmal einfach nicht sein kann, was nicht sein darf“ – nämlich dass eine Frau zur damaligen Zeit an einer Universität lehren sollte.

Epitaph in der Peterskirche

Holzberg zufolge geht aus Olympias Briefwechseln auch hervor, dass sie ihre Lehrtätigkeit trotz Krankheit tatsächlich aufnahm: Als Beleg dafür sieht er ein Schreiben eines Hieronymus Angenosius, in dem dieser sich für den Gewinn aus Gesprächen mit ihr bedankt und bedauert, dass er nun nach Frankreich zurückkehren müsse, wo er doch täglich Fortschritte im Griechischsprechen gemacht habe. Allerdings ist die Datierung dieses Briefes auf das Jahr 1555 nicht sicher belegt und er könnte auch aus der Zeit in Ferrara stammen. Sollte Olympia ihre Lehrtätigkeit aber tatsächlich aufgenommen haben, kann diese nicht lange gedauert haben, denn im Oktober 1555 stirbt sie, nur wenige Wochen vor Mann und Bruder. „Ihr Tod (...) hat Heidelberg um den Ruhm gebracht, mit der Emancipation der Frauen späteren Jahrhunderten vorangegangen zu seyn“, schreibt 1845 der Historiker Ludwig Häusser.

Auf Olympias Bitte hin gibt der väterliche Freund Curione nach ihrem Tod ihr literarisches Werk und ihre Briefe heraus, was die Grundlage für das Meiste bildet, das heute über diese beeindruckende Frau und Gelehrte bekannt ist. Die Grabstätte der Familie befindet sich auf dem Friedhof der Peterskirche, in deren Seitenkapelle ein Epitaph an Olympia Morata erinnert, „deren Geisteskraft und einzigartige Kenntnis beider Sprachen, deren Sittlichkeit und höchstes Streben nach Frömmigkeit über jedes gewöhnliche Maß immer geschätzt wurden“. Seit 2002 trägt das Studienseminar der Evangelischen Landeskirche in Baden an der Nordseite der Alten Brücke in Erinnerung an diese gelehrte Frau der Reformationszeit den Namen „Morata-Haus“.

Das Morata-Haus der Evangelischen Landeskirche in Baden an der Nordseite der Alten Brücke
Das Morata-Haus der Evangelischen Landeskirche in Baden an der Nordseite der Alten Brücke

Literaturhinweis

Reinhard Düchting u.a.: Olympia Fulvia Morata. Stationen ihres Lebens: Ferrara – Schweinfurt – Heidelberg. Katalog zur Ausstellung im Universitätsmuseum Heidelberg, Archiv und Museum der Universität Heidelberg, Schriften 1, Verlag Regionalkultur (1998)