Rosie Gräfin Waldeck Das schillernde Leben der Rosie Gräfin Waldeck
Heidelberger Alumna eroberte als Journalistin und Schriftstellerin die USA
Sie war im Berlin der Goldenen Zwanziger eine bekannte Journalistin, sorgte als vermeintliche deutsch-französische Doppelagentin für einen Gesellschaftsskandal, war mit einem angesagten Frauenarzt, einem Verlagserben und einem ungarischen Grafen verheiratet und machte in den USA unter dem Namen Rosie Gräfin Waldeck Karriere als politische Journalistin und Schriftstellerin. 1951 zählte der amerikanische Autor John Gunther die Mannheimerin Rosa Goldschmidt, die 1920 an der Universität Heidelberg mit Auszeichnung promoviert wurde, zu den interessantesten und faszinierendsten Frauen des 20. Jahrhunderts. Doch als sie 1982 in New York starb, hatte die Öffentlichkeit sie längst vergessen.
Wachgehalten wird die Erinnerung an ihr schillerndes Leben in ihrer Geburtsstadt Mannheim, wo sie am 24. Juli 1898 als Tochter eines der Gründer des Bankhauses „Marx und Goldschmidt“ zur Welt kam. Wie der Mannheimer Historiker Wilhelm Kreutz anlässlich des 200. Geburtstags des Mannheimer Karl-Friedrich-Gymnasiums in einem Essay über die seinerzeit berühmte Absolventin der Schule schreibt, war diese schon früh eine Ausnahmeerscheinung: Ab 1908 war sie nach Einführung der Koedukation eine der wenigen Schülerinnen des Gymnasiums. Nach dem Abitur im Frühjahr 1917 schrieb Rosa sich an der Universität München für Kunstgeschichte ein, wechselte aber 1919 nach Heidelberg, „wo sie sich einem damals neuen Studienfach, den von den Brüdern Weber vertretenen Gesellschaftswissenschaften, zuwandte“, wie Kreutz schreibt. Ihre Dissertation bei Alfred Weber zur Soziologie des Theaters wurde als beste Doktorarbeit des Sommersemesters 1920 ausgezeichnet und erhielt das seltene Prädikat summa cum laude.
Webers Angebot, als seine Assistentin an der Ruperto Carola zu bleiben, schlug sie aus, um sich 1921 in Berlin mit einem Bank-Volontariat auf die Übernahme der väterlichen Bank vorzubereiten. Doch dieser Versuch endete noch im selben Jahr mit ihrer Hochzeit mit dem bekannten Berliner Gynäkologen Ernst Gräfenberg, nach dem der „G-Punkt“ benannt ist. 1925 wurde die kinderlose Ehe „in beiderseitigem Einverständnis“ geschieden und Rosa ging nach Paris, wo sie erste Artikel für deutsche Zeitungen zu schreiben begann. 1927/28 gelang ihr der Durchbruch als Journalistin mit Reiseimpressionen aus der Sowjetunion und Westafrika, die in maßgeblichen Publikationen des Ullstein-Verlags erschienen.
Die Arbeit für den Ullstein-Verlag hatte auch private Folgen: 1929 heiratete die junge Journalistin den 63-jährigen verwitweten Franz Ullstein. „Die Familie war entsetzt, drängte Franz aus dem Verlag und inszenierte gegen die vermeintliche deutsch-französische Doppelagentin eine Verleumdungskampagne“, schreibt Kreutz. „Der Fall Ullstein hielt bald Berlin, die Berliner Presse und einige Gerichte in der Stadt in Atem.“ Am Ende standen eine weitere gescheiterte Ehe, eine Entschuldigung der Ullstein-Brüder sowie ein juristischer Sieg und eine großzügige Abfindung für Rosie.
Im Herbst 1931 ging die gebürtige Jüdin, die später zum Katholizismus konvertierte, noch vor dem Machtantritt Adolf Hitlers in die USA. Es dauerte einige Jahre, bis sie beruflich Fuß fassen konnte, zunächst schlug sie sich in New York mit historischen Recherchen für die Autorin Vicki Baum durch. 1935 heiratete sie nach ihrer Ausbürgerung aus Deutschland den elf Jahre jüngeren ungarischen Grafen Armin von Waldeck, „die Hintergründe dieser (Schein-)Ehe liegen bis heute im Dunkeln“, schreibt Kreutz. Während der 30er Jahre war sie häufig in Europa. Ihre journalistische Karriere kam erst wieder 1937 mit dem Artikel „The Great New Migration“ in der renommierten Publikation „Foreign Affairs“ ins Rollen. Der Kriegsausbruch 1939 machte von Waldeck zu einer gefragten Expertin für das Dritte Reich. 1940 berichtete sie mehre Monate lang für „Newsweek“ von Rumänien aus über die Lage auf dem Balkan, woraus 1942 das hervorragend rezensierte Reportagen-Buch „Athene Palace“ entstand.
1945 erschien Rosie von Waldecks erster historischer Roman „Lustre in the Sky“, der vor allem in Frankreich und Deutschland („Venus am Abendhimmel“) erfolgreich war. Der Nachfolgeroman „The Emperor’s Duchess“ („Wenn Sterne sinken“) konnte an diesen Erfolg allerdings nicht anknüpfen. 1951 veröffentlichte von Waldeck ihr letztes politisches Buch „Europe between the Acts“, das Ergebnis einer Reise durch das zerstörte Europa vom Juni 1948 bis Oktober 1950 war. Danach wurde es still um die Journalistin und Schriftstellerin: „Ihre im alten Europa der Vor- und Zwischenkriegsjahre verwurzelten Erfahrungen waren in Anbetracht der Teilung der Welt und des Kalten Kriegs der Supermächte nicht mehr gefragt“, schreibt Kreutz. Am 8. August 1982 starb sie einsam und vergessen.