Wilhelm Salomon-Calvi Eine Quelle in Bergheim

Der Heidelberger Geologe Wilhelm Salomon-Calvi und der Traum von „Bad Heidelberg“

Wilhelm Salomon-Calvi

Sie eigne sich „zu Badekuren, ferner (…) zu Trinkkuren, sowie, je nach Umständen mit Wasser verdünnt, zu Duschen, Inhalationen, Gurgelungen und Nasenduschen“. Solch medizinisch wertvolle Eigenschaften bescheinigte vor hundert Jahren – im Mai 1919 – ein Gutachten des „Chemischen Laboratoriums Fresenius Wiesbaden“ einer Heidelberger Thermalquelle. Entdeckt hatte sie im Rahmen seiner Forschungen zu den Besonderheiten des Oberrheingrabens der Geologe Wilhelm Salomon-Calvi (1868 bis 1941), zu dieser Zeit Direktor des Geologisch-Paläontologischen Institutes der Ruperto Carola.

Um einen Zufallsfund handelte es sich nicht. Bereits ein paar Jahre zuvor hatte der Wissenschaftler die badische Regierung in Karlsruhe auf die Möglichkeit hingewiesen, bei Bohrungen unter Umständen auf Bodenschätze wie Petroleum und Kohle zu stoßen. Auch an die Stadt Heidelberg wandte Calvi sich und machte dem damaligen Oberbürgermeister Karl Wilckens in Form einer „Denkschrift“ Hoffnung auf den Fund einer Thermalquelle. Das geschah nicht ohne strategischen Hintergedanken. Denn die Aussichten einer kommerziellen Nutzung sicherten die Finanzierung des Projekts – 400.000 Reichsmark stellte der Stadtrat für entsprechende Bohrungen zur Verfügung. Und versprach sich davon im Erfolgsfall, Heidelberg in den Rang einer Kurstadt erheben zu können.

Es war ein Heilmittel gefunden, für das die Krankheiten, die es behandeln kann, erst noch gesucht werden mussten.

Wilhelm Salomon-Calvi

Die von Salomon-Calvi im Stadtteil Bergheim entdeckte salzhaltige Quelle erwies sich tatsächlich als wertvolle Sole, sie enthielt zudem einen deutschlandweit einzigartigen Gehalt an Radium. Damit „war ein Heilmittel gefunden, für das die Krankheiten, die es behandeln kann, erst noch gesucht werden mussten“, schreibt der Lokalhistoriker Hans-Martin Mumm, der einen grundlegenden Aufsatz zur Erschließung der Radium-Solquelle verfasst hat. Der Beantwortung der Frage nach den zu behandelnden Krankheiten nahm sich die Heidelberger Medizin an, mithilfe von Dissertationen und Forschungsprojekten. „Skrufulose und Rachitis bei Kindern, Katarrhe der Luftwege und Badebehandlungen bei Frauenkrankheiten, außerdem chronische Muskel- und Gelenkrheumatismen, Ischias und rheumatische Gicht“, fasste der Heidelberger Hygieniker und Bakteriologe Ernst Gerhard Dresel die Ergebnisse zusammen. Diese Leiden könnten, so hoffte man, mithilfe der Quelle vermindert werden.

Die kommerzielle Verwertung allerdings stand unter keinem guten Stern, was auch an unruhigen Zeiten – Inflations- und Weltwirtschaftskrise in den 1920er-Jahren sowie Naziherrschaft und Zweiter Weltkrieg in den darauffolgenden Jahren – gelegen haben mag. Bereits im Herbst 1919 wurden auf Seiten der Stadtverordnetenversammlung Gespräche über den Bau einer Kur- und Badeeinrichtung aufgenommen, ein Jahr später erhielt man die Konzession für eine wirtschaftliche Nutzung des Thermalwassers, die zur Einrichtung einer Verkaufsstelle neben der Quelle führte. Große Ambitionen waren 1922 mit der Schaffung einer „Bad-Heidelberg-Aktien-Gesellschaft“ verbunden, ausgestattet mit einem Kapital von sieben Millionen Reichsmark. Die Verantwortlichen träumten von einer mondänen Bäderanlage mit Kurhotel, Casino und Freizeithafen am Neckar. Daraus aber wurde nichts. 1924 erfolgte zwar in der Vangerowstraße die Grundsteinlegung für ein Kurzentrum, das aber über den Keller-Rohbau zunächst nicht hinausgelangte. Zwei Jahre später ging die Aktiengesellschaft pleite, wurde allerdings – eingebunden in ein „System komplexer kommunaler Beteiligungen“ (Mumm) – weitergeführt.

Die Grundsteinlegung für das Kurzentrum 1924 mit Wilhelm Salomon-Calvi

Immerhin, 1928 konnte dann doch ein im Umfang reduziertes Gebäude mit 40 Badezellen in der Vangerowstraße eröffnet werden; der im neoklassizistischen Stil errichtete Bau existiert noch heute. Der große Besucheransturm jedoch blieb aus. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Bad zeitweise geschlossen, 1945 beschlagnahmte es die amerikanische Armee. Erst sieben Jahre später wurde der Betrieb wiederaufgenommen. Doch bereits 1957 versiegte die Quelle – der mitgeführte Sand hatte sie nach und nach verstopft. Mitverantwortlich war wohl auch das schlechte Material, das bei den Bohrungen in der Zeit des Ersten Weltkriegs zum Einsatz kam.

Wilhelm Salomon-Calvi – für die Entdeckung der Quelle und seine wissenschaftliche Erforschung 1926 zum Ehrenbürger Heidelbergs ernannt – hat dieses Ende nicht mehr miterlebt. Der Wissenschaftler, der zu den bedeutendsten Geologen seiner Zeit zählte und sich Meriten nicht zuletzt bei der Erforschung der geologischen Verhältnisse in der hiesigen Region erworben hat, wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten 1933 aus dem Amt gedrängt, zugleich entzog ihm die Stadt die Ehrenbürgerwürde. 1934 – im Alter von 66 Jahren – folgte er einem Ruf in die Türkei, in die noch junge, unter Kemal Atatürk gegründete Hauptstadt Ankara. Salomon-Calvi war am Institut für Lagerstättenforschung der Landwirtschaftlichen Hochschule tätig und half zugleich, ein Institut für Geologie und Mineralogie aufzubauen. Besondere Verdienste erwarb er sich unter anderem mit einem Quellen- und Bebenkatalog, der im Rahmen der türkischen Siedlungspolitik Anwendung fand. Wie angesehen seine Leistungen in diesem Bereich waren, zeigt sich darin, dass die türkische Regierung nach seinem Tod im Jahr 1941 ein Staatsbegräbnis anordnete. Begraben ist Wilhelm Salomon-Calvi auf Ankaras städtischen Friedhof Cebeci.

(Erscheinungsjahr 2019)

Wilhelm Salomon-Calvi

Weiterführende Informationen

Literaturhinweis
Der Aufsatz „Die Erschließung der Thermalquelle und der Bau des Radium-Solbads. 1912 bis 1928“ von Hans-Martin Mumm ist im Jahrbuch des Heidelberger Geschichtsvereins (Jg. 5, 2000, S.55-76) erschienen. Dem gleichen Thema ist das „Neujahrsblatt 2019“ des Universitätsarchivs Heidelberg gewidmet. Der Beitrag von Gabriel Meyer trägt den Titel „Bad Heidelberg – Strahlender Traum vor 100 Jahren?“