Hans Decker »Heidelberg ist einfach 'unique'!«
Ehrensenator Hans Decker hat die Alumni-Arbeit in den USA maßgeblich geprägt
„Werde, der du bist“ – diese Sentenz des griechischen Philosophen Pindar fasst für Hans Decker zusammen, was die Universität Heidelberg für ihn bedeutet: „Meine Zeit in Heidelberg hat mich sehr geprägt – hier wurde mir langsam bewusst, wer ich bin.“ Das führte zu einer lebenslangen Verbundenheit des langjährigen Chefs von Siemens USA mit seiner Alma Mater und einem großen persönlichen Engagement als „stolzer Alumnus“. Auch wenn man das angesichts seiner Agilität und „jugendlichen Frische“ nicht glauben mag: 2019 wurde der Gründungspräsident der Heidelberg University Association 90 Jahre alt – und er kommt noch immer gerne zu Besuch an den Neckar.
Dabei war Heidelberg für Hans Decker ursprünglich nicht die erste Wahl: Zunächst einmal zog es ihn, der aus einer Bauernfamilie im Westerwald stammt, für das unbekannte Abenteuer Studium im Sommer 1950 in das nicht weit entfernte Frankfurt. „Im Unterschied zu anderen wusste ich nicht schon früh, was ich studieren wollte, aber ich habe mich dann letztlich für die Jurisprudenz entschieden“, erzählt er. Frankfurt habe ihm zwar gut gefallen, aber er habe dann doch auch eine andere Stadt kennenlernen wollen, und so fuhr er „an einem wunderschönen Frühlingstag“ im April 1951 zum ersten Mal nach Heidelberg. „Dort hat es mir gleich so gut gefallen, dass ich mir gesagt habe: Hier mache ich weiter!“
Für die Ruperto Carola sprach auch der gute Ruf der Juristischen Fakultät, die mit großen Namen wie Ernst Forsthoff oder Walter Jellinek glänzte. „Ich habe mich sehr schnell eingelebt, es gefiel mir alles sehr, sehr gut!“, erinnert sich Hans Decker. Wissbegierig über Jura hinaus besuchte er – teilweise noch in der Alten Aula – Vorlesungen von Koryphäen anderer Fächer. Drei Professoren beeindruckten ihn dabei nachhaltig: Die Wirtschaftswissenschaftler Alexander Rüstow – „ein hochinteressanter Mann, der mir gut gefallen hat“ – und Alfred Weber – „in jeder Hinsicht ein bisschen skurril und von einer ganz besonderen Art“ – sowie der große Philosoph Hans-Georg Gadamer – „ich habe jede seiner Vorlesungen besucht und er hat mir sehr viel an Gedanklichem mitgegeben“. Das Studentenleben genoss er bis zu seiner Promotion 1958 in vollen Zügen: „Ich war begeistert von der Gesamtatmosphäre dieser Stadt und Universität – Heidelberg ist eben einfach ‚unique‘, wie wir in den USA sagen!“
Denn schon bald wurden die USA zu Hans Deckers neuer Heimat: Nach Referendariat und zweitem Staatsexamen hatte er zwar bereits eine Zusage für den bayerischen Staatsdienst, aber dann machte ihn ein Bekannter auf die Medizingruppe von Siemens aufmerksam, die einen Juristen suchte. Er stellte sich vor, bekam die Stelle – und blieb bis zum Ende seines Berufslebens Siemens treu. Als Hans Decker nicht mehr nur „als Jurist andere beraten, sondern mich auch mal im Geschäftlichen versuchen wollte“, ergab sich Anfang der 1970er-Jahre die Möglichkeit, für drei Jahre nach New York zu gehen, wo Siemens USA gerade erst im Aufbau war. „Mir gefiel es dort und in den USA generell so gut, dass mir schnell klar war, dass ich bleiben wollte.“ Und so blieb er und wurde schließlich Präsident und stellvertretender Aufsichtsratschef der Siemens Corporation USA.
Mit Beginn des „Ruhestands“ Anfang der 1990er-Jahre „kam Nichtstun für mich natürlich nicht in Betracht!“. Und da sich Hans Decker als junger Mann neben der Juristerei auch hätte vorstellen können, Lehrer, Pfarrer oder Therapeut zu werden – „also Berufe, in denen man Menschen helfen und sie begleiten kann“ –, nahm er gerne das Angebot an, als Adjunct Professor an der School of International and Public Affairs der Columbia University in New York zu lehren. „Das habe ich dann noch bis vor drei, vier Jahren gemacht und es hat mich richtig begeistert – und den Studenten hat es offenbar auch gefallen, wie ihre Bewertungen gezeigt haben. Das war ein wunderschöner Abschluss meines Berufslebens!“
Heidelberg besuchte Hans Decker erstmals Ende der 1970er-Jahre wieder, nun mit dem Wissen um die Bedeutung von Alumni-Arbeit im Universitätssystem seiner neuen Heimat – ein Konzept, das zu dieser Zeit allerdings in Deutschland noch völlig unbekannt war. „So kam es, dass ich nur verständnislose Blicke erntete, als ich in der Alten Universität an eine Bürotür klopfte, mich als Ehemaliger vorstellte, und fragte, ob es so etwas wie einen Kreis der Ehemaligen gebe!“ Als er aber 1986 zur 600-Jahrfeier der Ruperto Carola wieder zu Besuch kam, war er inzwischen dem Freundeskreis der Universität beigetreten und gehörte zu den ersten Mitgliedern der Stiftung Universität Heidelberg. Nachdem dann 1996 mit Heidelberg Alumni International (HAI) die professionelle Alumni-Arbeit der Universität ihren Anfang genommen hatte, zu der seit 2002 auch internationale Gruppen gehören, wurde mit großer Unterstützung von Hans Decker 2008 die Heidelberg University Association, eine Stiftung nach US-amerikanischem Recht, und unter ihrem Dach Heidelberg Alumni U.S. (HAUS) gegründet. „Als ich 2007 Hans Decker kontaktierte, um ihn für die Gründung der Stiftung und die Alumni-Arbeit in den USA zu gewinnen, hat er nicht einen Moment gezögert. Es war nicht nötig, ihn zu überzeugen, er war sofort bereit mitzumachen und sich ganz für seine Universität in den USA einzusetzen“, erinnert sich HAI-Leiterin Silke Rodenberg.
Ich finde es völlig normal, meiner Universität, die mir so viel gegeben hat, auch etwas zurückzugeben.
Hans Decker
Als Präsident der Heidelberg University Association hat Hans Decker seither mit großem – auch finanziellem – Engagement die Alumni-Arbeit in den USA maßgeblich geprägt und ihr viele wertvolle Impulse verliehen. „Die Leidenschaft und Freude, mit denen sich Hans für HAUS, das New Yorker Büro und die Universität Heidelberg einsetzt, sind einfach ansteckend“, schwärmt Irmintraud „Jimmie“ Jost, die als langjährige Leiterin der New Yorker Außenstelle der Ruperto Carola seit 2008 mit ihm zusammenarbeitete. „Ich habe immer gesagt, das beste Benefit – also die beste Arbeitgeberleistung – der Heidelberg University Association ist es, mit Hans arbeiten zu können. Sein Engagement, seine ihm eigene Neugier und sein ehrliches Interesse für alles und alle machen ihn zu einem ganz besonderen Menschen, der die Heidelberg University Association so ungemein positiv geprägt hat.“
Mit 90 Jahren will Hans Decker aber nun kürzertreten und gibt den Stab im Vorstand der Association zum Jahresende 2019 weiter. Als Dank und Anerkennung für sein großes Engagement hat ihm seine Alma Mater bereits 2009 die Würde eines Ehrensenators verliehen. „Ich konnte zunächst gar nicht glauben, dass ich dafür in Betracht komme – und im Grunde bin ich bis heute perplex“, erklärt er in der ihm eigenen Bescheidenheit. „Denn ich finde es völlig normal, meiner Universität, die mir so viel gegeben hat, auch etwas zurückzugeben.“
(erschienen 2019)