Bleitäfelchen – Liebesbindezauber
Antikensammlung
Die zwei Bleitäfelchen stammen mutmaßlich aus Ägypten und gehören zusammen, wie Inhalt, Schrift und Format nahelegen. In beide ist ein griechischer Zauberspruch eingeritzt: ein sogenannter Liebesbindezauber. Auf Täfelchen A ist folgender Spruch begleitet vom Bild einer liegenden Mumie zu lesen: »Horion, Sohn der Sarapous: Mache und veranlasse, dass sich Nike, Tochter der Apollonous, in Paitous, welchen Tmesios geboren hat, verliebt!«. Täfelchen B wiederholt den Zauberspruch in leichter Variation: „Mache, dass sich Nike, Tochter der Apollonous, in Pantous, welche Tmesios geboren hat, verliebt für 5 Monate!“.
Ein Mann namens Paitous/Pantous äußert hier also den Wunsch, Nike, die Tochter der Apollonous, zu erobern. Dafür wendet er sich an einen Toten namens Horion und ruft diesen an, das Mädchen zu zwingen, sich zu unterwerfen. Die Figur der Mumie auf Täfelchen A ist wahrscheinlich die von Horion, der wohl gewaltsam gestorben war und in dessen Grab die miteinander verbundenen Täfelchen vermutlich unter ritueller Anrufung des Toten niedergelegt worden waren.
Wichtig für den Erfolg des Zaubers war die Verborgenheit der Schrift: Die zwei Tafeln wurden so übereinandergelegt, dass sich die beschrifteten Seiten innen befanden. Der kleine Henkel diente dazu, die zwei Täfelchen zu befestigen. Die durch Nägeleinschläge hervorgebrachten Löcher hatten ebenfalls den Zweck der Befestigung, dienten aber darüber hinaus auch im übertragenen Sinne der »Festnagelung« Nikes.
Blei, Höhe 8,8 cm, Breite 10,1 cm (einzeln), 1.–2. Jh. n. u. Z., Inventarnummer F 429 a-b, Antikensammlung, Heidelberg Center for Cultural Heritage
© Paula Bemmann