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Ruperto Carola RingvorlesungVon Kirchhoff zum Physik-Nobelpreis 2023 – Attosekunden-Spektroskopie macht Elektronen-Bewegung „hörbar“

15. Juli 2024

Die von Gustav Kirchhoff mitbegründete Spektralanalyse des Lichts mittels seiner Zerlegung durch Glas-Prismen legte bereits im 19. Jahrhundert den Grundstein für die moderne Physik: Aus den beobachteten Spektrallinien – den scharfen farbigen Streifen im Spektrum atomarer Elemente in der Flamme des Bunsenbrenners – erschlossen sich scharfe Energie-Niveaus in Atomen und damit die diskreten (quantisierten) Energie-Zustände der Quantenmechanik. Das grundlegende Verständnis von Quantenphänomenen treibt bis heute eine Revolution in der Physik, die mit bahnbrechenden Anwendungen wie dem Laser, der GPS-Ortung, der Photovoltaik und der modernen Mikro- und Nanoelekronik längst vielfachen Einzug in unser Leben gehalten hat.

Auch in der Grundlagenforschung – der Erforschung des noch gänzlich Unbekannten – ist und bleibt die optische Spektralanalyse ein einmaliges universelles Werkzeug. Mittlerweile ist es im Labor möglich, das breite Tageslicht-Spektrum der Sonne von roten und gelben über grüne bis hin zu blauen Farben nicht nur nachzustellen, sondern all diese Farben sogar mit einer Präzision von wenigen Trillionstel Sekunden, sogenannten Attosekunden, zeitlich zu synchronisieren. Die Folge: Lichtblitze, die kurz und intensiv genug sind, um die Bewegungsvorgänge von Elektronen in Atomen – sie liegen der von Gustav Kirchhoff beobachteten Flammenfärbung zugrunde – nun auch zeitlich aufzulösen. Diese Errungenschaft wurde 2023 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet.

Wie sich Musik erst durch die zeitlich genau festgelegte Abfolge von Tönen (akustischen Klangfarben) erschließt, so ist es mit der Attosekunden-Spektroskopie möglich, quantenmechanische Bewegung im Inneren von Atomen und Molekülen zu belauschen. Durch das gezielte Einstrahlen von intensiveren Laser-Lichtblitzen lässt sich die Bewegung von Elektronen sogar steuern. Da Elektronen den „Kleber“ der chemischen Bindung darstellen, könnten zukünftige Anwendungen in einer lasergesteuerten Chemie zu finden sein, vergleichbar mit dem 3D-Druck von Molekülstrukturen. Die enorm hohe Taktfrequenz elektronischer Bewegung in Atomen könnte auch neue Formen des elektronischen (Quanten-)Rechnens eröffnen.

Pressemitteilung

Prof. Dr. Thomas Pfeifer

Thomas Pfeifer studierte Physik an der Universität Würzburg, an der er nach einem Masterstudium an der University of Texas in Austin (USA) im Jahr 2004 auch promoviert wurde. Als Postdoc und Fellow der Alexander von Humboldt-Stiftung forschte er anschließend an der University of California in Berkeley sowie am Lawrence Berkeley National Laboratory. 2009 wechselte er als unabhängiger Forschungsgruppenleiter an das Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. Dort ist er seit 2014 als Direktor und Leiter der Abteilung für Quantendynamik und -kontrolle tätig. Im selben Jahr wurde er zum Honorarprofessor an der Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Heidelberg bestellt.