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Philipp Gutbrod Die Erfüllung eines Lebenstraums

Der Kunsthistoriker Philipp Gutbrod leitet das Institut Mathildenhöhe in Darmstadt

Philipp Gutbrod (Heidelberger Profile)

Das Jugendstilensemble Mathildenhöhe in Darmstadt, das auf der offiziellen Vorschlagsliste Deutschlands für künftige UNESCO-Welterbestätten steht, gilt als wichtiger Impulsgeber für die Entwicklung von Kunst und Architektur auf dem Weg in die Moderne. Heute bildet die ehemalige Künstlerkolonie das Herzstück eines Dreispartenhauses der Künste, das auch Philipp Gutbrod während seiner Zeit als Heidelberger Student immer wieder besuchte. Dass er nun seit Frühjahr 2015 Direktor des Instituts Mathildenhöhe ist, bezeichnet der Kunsthistoriker als Erfüllung eines Lebenstraums. „Und die Arbeit hier ist noch viel spannender und vielseitiger, als ich es mir erhofft hatte“, erzählt der 43-Jährige begeistert.

Ein solches Jugendstil-Ensemble wie hier gibt es europaweit nicht noch einmal.

Philipp Gutbrod

Das Institut Mathildenhöhe umfasst die Städtische Kunstsammlung Darmstadt mit rund 15.000 Werken von der Romantik bis zur zeitgenössischen Kunst, ein Ausstellungsgebäude mit 1.000 Quadratmetern Fläche sowie das Museum Künstlerkolonie, das einen Überblick über die Geschichte dieses wegweisenden Kulturprojekts sowie Werke der beteiligten Künstler präsentiert. Die Künstlerkolonie ging zurück auf eine Idee des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen, der 1898 Maler, Architekten und Kunsthandwerker nach Darmstadt holte, um Kultur- und Wirtschaftsförderung miteinander zu verbinden. Die Künstler, zu denen unter anderen Joseph Maria Olbrich, Peter Behrens und Emanuel Josef Margold gehörten, konnten auf der Mathildenhöhe wohnen und arbeiten und lieferten im Gegenzug Entwürfe für die Industrie – beispielsweise für Geschirr, Schmuck und Möbel.

Grundgedanke war es, Design auf hohem Niveau zu schaffen, das auch für normale Bürger erschwinglich war, wie Philipp Gutbrod erklärt. Umgesetzt wurde das Konzept 1901 im Rahmen einer großen Ausstellung, die die Mathildenhöhe und Darmstadt schlagartig international bekannt machte. Zentraler Teil der Ausstellung in der Formensprache des Jugendstils war ein Ensemble aus acht von Olbrich geschaffenen Wohnhäusern und einem Atelierhaus. „Diese Ausstellung gilt als erste Internationale Bauausstellung der Welt – das gab es bis dahin nicht, dass Besucher in die Häuser der Künstler gehen konnten. Diese ästhetische Gestaltung und Durchdringung des Alltags war etwas Neues, das dann in einem Strang zum Bauhaus führte.“ Es folgten drei weitere Ausstellungen, bevor der Erste Weltkrieg der Künstlerkolonie ein Ende setzte. Bis dahin gingen von ihr aber entscheidende Impulse für die Architektur des 20. Jahrhunderts aus.

Ausstellungsplakat Mathildenhöhe

Diese Ausstellung gilt als erste Internationale Bauausstellung der Welt – das gab es bis dahin nicht, dass Besucher in die Häuser der Künstler gehen konnten.

Philipp Gutbrod

In seiner Arbeit als Museumsdirektor will Philipp Gutbrod die zeitgenössische Kunst und die Geschichte der Künstlerkolonie zueinander in Beziehung setzen. Neben einer wissenschaftlichen Einbettung der Arbeit – zurzeit plant er etwa ein europaweites Projekt  zu Innenräumen des Jugendstils – liegt ihm vor allem auch die Kunstvermittlung am Herzen, um auch schon den Jüngeren das kulturelle Erbe der Mathildenhöhe nahezubringen. „Einmal im Monat biete ich eine Kinderführung und eine englischsprachige Führung an, und ich habe dafür gesorgt, dass die Mathildenhöhe auf den Social-Media-Kanälen vertreten ist.“ Außerdem veranstaltet der Jazz-Liebhaber, der auch selbst als Schlagzeuger Musik macht, auf der Mathildenhöhe Konzerte – ganz nach dem Vorbild der Ausstellungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in deren Rahmen fast täglich Konzerte stattfanden.

Philipp Gutbrod selbst, der die ersten Jahre seines Lebens in den USA aufwuchs, bevor er als Zehnjähriger mit seinen Eltern nach Heidelberg zog, war schon in jungen Jahren kunstbegeistert. „Mein Vater ist Physiker, das Interesse kam also nicht unbedingt von zu Hause, aber ich habe mich schon immer für Kunst interessiert und bin bereits mit 13, 14 Jahren allein zu Ausstellungen in andere Städte gefahren“, erzählt er. Trotz anfänglicher Bedenken wegen der schlechten Berufsaussichten entschied er sich nach einem kurzzeitigen Jurastudium in München, in Heidelberg Kunstgeschichte mit Jura als Nebenfach zu studieren – die Ruperto Carola war ihm für dieses Fach explizit empfohlen worden. „Das stellte sich dann auch als beste Entscheidung heraus, denn das Institut hatte bundesweit einen hervorragenden Ruf und ich habe schnell Anschluss gefunden und konnte schon früh als Hilfswissenschaftler Einblick in die wissenschaftliche Arbeit nehmen.“

Wertheim-Speisezimmer Institut Mathildenhöhe

Nach seiner Promotion, die sich mit dem abstrakten Künstler Wols beschäftigte, forschte  Gutbrod im Rahmen eines an der FU Berlin angesiedelten Forschungsprojekts zur deutschen Nachkriegskunst am Deutschen Forum für Kunstgeschichte in Paris. In Berlin kam er in Kontakt mit dem Auktionshaus Grisebach, das einen Geschäftsführer in den USA suchte. „Es war schon immer mein Traum, in New York zu arbeiten – aber aus dem geplanten Jahr wurden dann sechseinhalb Jahre“, erinnert er sich. Die Arbeit machte ihm Spaß, er lernte viel über den Kunstmarkt, knüpfte zahlreiche Kontakte, hielt Vorträge und schrieb Bücher, unter anderem über Otto Dix – „aber die Forschung und der Wunsch, im Museum zu arbeiten, haben mich nie losgelassen“. Als Gutbrod dann eine Ausschreibung für die Kuratorenstelle auf der Mathildenhöhe sah, bewarb er sich von den USA aus – und setzte sich gegen 140 Bewerber durch. 2011 kehrte er mit seiner Frau und den zwischenzeitlich in den USA geborenen Zwillingssöhnen zurück nach Deutschland.

Die Arbeit auf der Mathildenhöhe habe ihn von Anfang an begeistert, zumal ihm der damalige Direktor Ralf Beil freie Hand bei der Umsetzung seiner zahlreichen Ideen gelassen habe, berichtet Gutbrod. Als Beil an das Kunstmuseum Wolfsburg wechselte, bewarb sich Gutbrod erfolgreich um seine Nachfolge. Für die Zukunft hat der neue Direktor viele Pläne, zu denen unter anderem auch ein Ausbau der Zusammenarbeit mit der Heidelberger Universitätsbibliothek zur Digitalisierung von Jugendstil-Zeitschriften gehört. Wichtigstes Projekt ist aber die Entscheidung über eine Anerkennung der Mathildenhöhe als UNESCO-Weltkulturerbe, die 2020 fallen soll und die noch viel Arbeit bedeutet. „Ich hoffe sehr, dass wir erfolgreich sein werden, denn ein solches Jugendstil-Ensemble wie hier gibt es europaweit nicht noch einmal – und es ist kein Durchschnittsjugendstil, sondern die frühe Verwirklichung der Ideen des modernen Bauens.“

(Erscheinungsjahr 2015)