Jumana Alasaad »Unser kulturelles Erbe ist ein Symbol für Toleranz«
Jumana Alasaad war Stipendiatin des DAAD-Programms »Leadership for Syria«
„Wenn man in Syrien aufwächst, dann lässt es sich eigentlich nicht vermeiden, dass man Archäologe werden möchte: Überall gibt es Sehenswürdigkeiten und Monumente aus alten Zeiten. Ich bin in Aleppo aufgewachsen, einer der ältesten Städte der Welt – es war daher mein Kindheitstraum, Archäologin zu werden!“ Als Jumana Alasaad dies erzählt, steht sie kurz vor der Abreise in den Irak. Dort nimmt die Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie der Ruperto Carola für mehr als drei Monate an Ausgrabungen teil – bereits zum wiederholten Mal, seit sie im März 2014 nach Heidelberg kam.
Meinen Master wollte ich in Deutschland machen, denn die deutschen Archäologen sind die besten Archäologen der Welt und sehr aktiv in Syrien.
Jumana Alasaad
Die 29-Jährige gehört zu den rund 200 jungen Syrerinnen und Syrern, die zum Wintersemester 2015/16 Stipendiaten des DAAD-Programms „Leadership for Syria“ wurden. Mit diesem Programm will der Deutsche Akademische Austauschdienst Akademiker auf den Wiederaufbau des kriegszerstörten Syrien vorbereiten – wenn dieser Krieg endlich einmal vorbei ist. Ziel ist also, dass der akademische Nachwuchs wieder nach Syrien zurückkehrt – was auch Jumana Alasaad fest vorhat, auch wenn sie noch nicht weiß, wann das sein wird. Nach Heidelberg kam sie bereits 2014, nach ihrem Bachelorabschluss in Archäologie an der Universität Aleppo. „Meinen Master wollte ich in Deutschland machen, denn die deutschen Archäologen sind die besten Archäologen der Welt und sehr aktiv in Syrien“, erklärt sie. Ganz konkret wollte sie nach Heidelberg, „weil das Institut berühmt ist, zudem haben zwei meiner Professoren in Aleppo in Heidelberg promoviert und viel erzählt von der hübschen Stadt und der schönen Atmosphäre“.
Eigentlich hatte Jumana Alasaad bereits eine Zusage für ein syrisches Stipendium, das dann aber kriegsbedingt abgesagt wurde. Als sie von der Ausschreibung für das DAAD-Stipendium hörte, bewarb sie sich und wurde aus fast 5.000 Bewerbern ausgewählt. „Es war wirklich eine große Herausforderung, aber ich mag Herausforderungen – und deshalb hat es geklappt!“, erklärt sie lachend in nahezu fehlerfreiem Deutsch. Mit dem Deutschlernen hatte sie bereits 2013 in Syrien angefangen: „Ich habe mich schon immer für die deutsche Kultur interessiert, und da ich mit Deutschen zusammengearbeitet habe, habe ich auch die Sprache gehört, die mir sehr gut gefallen hat, so dass ich sie lernen wollte. Deutsch ist zwar nicht einfach, aber Deutsch und Arabisch haben etwas gemeinsam: Auch wir kennen Dativ und Akkusativ, was mir geholfen hat, die Sprache zu verstehen.“
Beim Deutschlernen geholfen hat Jumana Alasaad dann später auch, dass sie in der kleinen Universitätsstadt schnell Freunde gefunden hat, mit denen sie Deutsch sprechen konnte. „Heidelberg ist meine zweite Lieblingsstadt in der Welt – nach Aleppo. Obwohl ich in einer sehr großen Stadt aufgewachsen bin, mag ich es, in kleinen Städten zu leben – mir gefällt die Atmosphäre in Heidelberg, dieser kleinen Stadt mit vielen Studenten und viel deutscher Tradition, sehr, sehr gut!“ Ihr Glück wurde perfekt, als auch ihr syrischer Ehemann ein Visum für Deutschland erhielt und Anfang 2015 zu ihr nach Heidelberg kommen konnte, wo er nun am Geographischen Institut studiert.
Doch gerade wegen ihrer hervorragenden persönlichen Situation belastet Jumana Alasaad umso mehr der Gedanke an ihre Familie in Syrien. Einige Brüder und Schwestern leben in Schweden, aber der Großteil der Familie harrt im zerstörten Aleppo aus. „Es geht ihnen halbwegs gut, sie haben keinen Strom und kein Wasser, aber es geht irgendwie. Aber ich habe immer ein schlechtes Gewissen, dass ich hier mein Leben genießen kann und alle Möglichkeiten habe, während es ihnen gleichzeitig nicht gut geht. Wir können nur studieren und nach dem Krieg unser Land wiederaufbauen – das ist alles, was wir tun können.“
Nach dem Krieg möchte ich dazu beitragen, das syrische Erbe zu schützen. Unsere Aufgabe als Archäologen ist es, Sehenswürdigkeiten wiederaufzubauen, denn unser kulturelles Erbe spielt eine wichtige Rolle: Es ist ein Symbol für Toleranz.
Jumana Alasaad
Und das hat Jumana Alasaad vor, die inzwischen ihr Masterstudium abgeschlossen hat und als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie an ihrer Promotion arbeitet. „Zuerst möchte ich meine Doktorarbeit abschließen und gerne noch an einigen Ausgrabungen teilnehmen – dann ist hoffentlich auch irgendwann der Krieg zu Ende und ich kann zurück nach Syrien“, sagt sie. „Nach dem Krieg möchte ich dazu beitragen, das syrische Erbe zu schützen. Unsere Aufgabe als Archäologen ist es, Sehenswürdigkeiten wiederaufzubauen, denn unser kulturelles Erbe spielt eine wichtige Rolle: Es ist ein Symbol für Toleranz. In Syrien haben Christen, Juden und Muslime immer friedlich miteinander gelebt, das war unsere Kultur vor dem Krieg – und wir wollen das wiederaufbauen, damit die nachfolgenden Generationen sehen, dass Syrien eigentlich ein tolerantes Land ist.“ (2018)
Weiterführende Informationen
DAAD-Programm: Leadership for Syria
Im Rahmen des Stipendienprogramms „Leadership for Syria“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes erhielten 221 Syrerinnen und Syrer für zwei Jahre ein Stipendium für ein Masterstudium oder eine Promotion an einer deutschen Universität. Sie wurden nach fachlichen Kenntnissen, Persönlichkeit, Führungspotenzial, Sozialkompetenz und der Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, aus 5.000 Bewerbern ausgewählt. Das Programm soll die Teilnehmer darauf vorbereiten, „das künftige Syrien gesellschaftlich, politisch, wissenschaftlich und ökonomisch im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Wertorientierung maßgeblich mitzugestalten“. Neben dem regulären Vollzeitstudium absolvierten die Stipendiaten über einen Zeitraum von zwei Semestern ein gesellschaftspolitisches Begleitprogramm zum Erwerb grundlegender und anwendbarer Kenntnisse aus den Bereichen Politik-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Führungs- und Managementkompetenzen. Die Mehrheit der Stipendiaten stammt aus den Bereichen Mathematik/Naturwissenschaften und den Ingenieurswissenschaften, rund 43 Prozent sind Frauen. Finanziert wurde das Stipendienprogramm mit 10,2 Millionen Euro aus Mitteln des Auswärtigen Amtes und 1,5 Millionen Euro aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen.