Knud Seckel Auf der Suche nach neuen Klangwelten
Der Musikwissenschaftler Knud Seckel arbeitet als Minnesänger
Schon als kleiner Junge war Knud Seckel fasziniert von der Epoche des Mittelalters. Regelmäßig träumte er sich in die Welt der Ritter, Burgen, Könige und Hofdamen. Heute, im Erwachsenenalter, ist diese Welt sein Zuhause: Er tritt beruflich als Musiker, Sänger und Erzähler in Konzerten, in Museen oder Schulen auf. „Dabei muss ich oft mit Klischees brechen“, erzählt Knud Seckel lachend. „Gerade beim Minnesang stellen sich viele den Sänger unterm Balkon vor, der seine Angebetete mit der Laute besingt – so war es aber mit Sicherheit nicht. Die Musik des Mittelalters ist im Gegenteil sehr vielfältig, die Bezeichnung ‚Minnesang‘ nur ein kleiner Teil der mittelalterlichen Dichtung.
Um diese auf der Bühne authentisch darstellen zu können, nahm Knud Seckel schon früh Musik- und Gesangsunterricht. Nach einer klassischen Ausbildung am Karlsruher Konservatorium erlernte er im jungen Erwachsenenalter bei Künstlern im In- und Ausland das Spielen mittelalterlicher Instrumente wie der Drehleier. „Um die Musik dieser Epoche lebendig werden zu lassen, benötigte ich jedoch auch ein fundiertes Hintergrundwissen – zum Beispiel, um fehlende Vorgaben in der Musikaufführung ausfüllen zu können“, erklärt der Musiker. „Das nennen wir historisch informierte Aufführungspraxis.“
Die wissenschaftliche Grundlage für diese Art der Musikinterpretation erwarb Knud Seckel beim Studium an der Ruperto Carola, an der er von 1994 bis 2000 für die Fächer Romanistik, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft eingeschrieben war. Während dieser Zeit setzte er sich unter anderem mit den historischen Sprachen des Mittelalters auseinander und verschaffte sich ein umfassendes Bild der gesellschaftlichen Strukturen dieser Epoche. „Das hat mich in jedem Fall für meine musikalische Tätigkeit gestärkt“, ist sich Seckel sicher. An seine Studienjahre in Heidelberg erinnert er sich auch deswegen gerne zurück, weil er früh in Kontakt mit „Gleichgesinnten“ kam. Zusammen mit einem Kommilitonen gründete er schon im ersten Semester ein Musikduo. „Die Erkenntnisse aus den Seminaren haben wir oft umgehend in die Praxis umgesetzt, und das gemeinsame Musizieren hat uns weit über das Studium hinaus zusammengeführt“, berichtet er. Und obwohl sich ihre künstlerischen Wege nach dem Studium trennten, stehen die Musiker auch heute noch in engem Kontakt. „Einen solch glücklichen Zufall kann man natürlich nicht planen“, resümiert Seckel rückblickend.
Mit seinen Aufführungen möchte der Musiker nicht nur unterhalten, sondern seinem Publikum auch Inhaltliches vermitteln. „Die gute Balance zwischen Bildung und Unterhaltung zu finden, ist die wahre Kunst“, erzählt er. Diesen Anspruch verwirklicht Knud Seckel in diversen Programmen für Kinder und Erwachsene. Bei Gastspielen in Grundschulen tritt er unter anderem als höfischer Spielmann auf, führt seinen Zuhörern mittelalterliche Instrumente vor und gibt anhand authentischer Bilder und Handschriften Einblicke in die Welt der Troubadoure. Mit höheren Klassen und Musikergruppen studiert er Minnetexte aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel. Schlusspunkt eines solchen Workshops ist auch gelegentlich einmal ein abendfüllender Vortrag des Nibelungenliedes. Um seinem jungen Publikum die Identifikation mit der Welt des Minnesangs zu erleichtern, erscheint der Musiker zu seinen Auftritten bisweilen in mittelalterlicher Gewandung. „Früher habe ich diese selbst geschneidert, heute übernimmt das dankenswerterweise meine Frau“, fügt er augenzwinkernd hinzu.
Mich treibt die Suche nach den noch unentdeckten Klängen.
Knud Seckel
Seine Liebe zu Melodien und Gesang dieser Epoche setzt Knud Seckel auch in zahlreichen weiteren Projekten um. Er erteilt Instrumental- und Gesangsunterricht, organisiert Exkursionen durchs mittelalterliche Europa und ist Mitglied verschiedener Musikensembles, mit denen er die Musik des Mittelalters neu interpretiert. Zudem engagiert er sich als künstlerischer Leiter von Musikfestspielen und verfasst eigene lyrische Texte. „Mich treibt die Suche nach den noch unentdeckten Klängen, den verborgenen Juwelen der Literatur“, erzählt er. „Die Faszination besteht darin, sie miteinander in Verbindung zu bringen, indem man die Literatur singt.“ Als nächstes Großprojekt plant Knud Seckel die Umsetzung des mittelhochdeutschen Artusromans „Iwein“ für die Theaterbühne. „Für diese Art der Aufführung gibt es ein wachsendes Publikum“, ist er sich sicher „und ich hoffe, dass sich das so weiterentwickelt“.
(Text: Jana Gutendorf, 2013)