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Auf einer Welle
in die Berufswelt reiten

 

Nicht alle Doktoranden können oder wollen in der Wissenschaft arbeiten. Auch in der Industrie bieten sich jungen Forschern spannende Möglichkeiten - wenn sie sich rechtzeitig darum kümmern. Die Molekularbiologin Aleksandra Pietrosiuk hat den Schritt gewagt. Sie bekam entscheidende Hilfe von Sandra Martini, der Karriereberaterin an der internationalen Hartmut Hoffmann-Berling Graduiertenschule für Molekular- und Zellbiologie (HBIGS).

 

 

Frau Pietrosiuk, hier nennt Sie jeder „Ola“, Spanisch für Welle. Hat der Spitzname mit Ihrer Vergangenheit als Windsurferin zu tun?

Aleksandra Pietrosiuk Gut geraten, aber falsch. Ola ist in Polen die übliche Abkürzung für meinen Vornamen Aleksandra. Den Surfsport habe ich für das Studium aufgegeben.

Aleksandra Pietrosiuk
Dr. Alexandra Pietrosiuk

Was hat der Sport für Ihre wissenschaftliche Karriere gebracht?

Pietrosiuk Ich habe damals täglich trainiert und war an den Wochenenden häufig bei Regatten, zum Beispiel bei der Kieler Woche. Ich kann mich seither extrem gut motivieren, liebe Wettbewerbssituationen und kann meine Zeit gut einteilen. Irgendwie habe ich mich damals auch an den Erfolg gewöhnt. Heute hole ich ihn mir eben im Labor - oder demnächst im Beruf.

Sie wissen seit einem Jahr, dass Sie bald als Produktmanagerin bei Procter & Gamble in Brüssel beginnen. Dabei haben Sie Ihre Dissertation erst vor wenigen Wochen abgeschlossen ...

Pietrosiuk Tatsächlich bin ich die erste Doktorandin meines Betreuers, die schon vor Abschluss ihrer Arbeit einen Job hatte.

Sandra Martini
Sandra Martini

Sandra Martini Dabei hätten viele die Chance dazu.

Inwiefern?

Martini Viele Doktoranden beginnen ohne klares Berufsziel. Ungefähr jeder Dritte will in der Wissenschaft bleiben. Aber zur Professur wird es nur für die wenigsten reichen. Wir wollen, dass unsere Doktoranden die Risiken kennen, und helfen ihnen, gegebenenfalls einen Alternativplan zu entwickeln. Wer zunächst eine Postdoc-Zeit beginnt, nur um Zeit zum Nachdenken zu haben, verliert vielleicht wertvolle Zeit.

Wann sollten sich Doktoranden um ihre berufliche Zukunft kümmern?

Martini Das zweite Jahr der Promotion ist ideal, da haben sie Zeit. Später stehen Konferenzen und Veröffentlichungen an und sie müssen sich auf die Verteidigung der Doktorarbeit vorbereiten.

Wie hat Ihnen Sandra Martini geholfen, Frau Pietrosiuk?

Pietrosiuk Wir haben uns im ersten Halbjahr meiner Promotion getroffen. Da merkte ich erstmals, dass ich zwar mein Projekt liebe, aber mir langfristig auch eine Karriere außerhalb der Wissenschaft vorstellen konnte. In den Arbeitsgruppen erfährt man über Wege in die Industrie wenig. Sandra organisierte Kamingespräche mit Pharmaunternehmen, Verlagen und Beratungsfirmen - da nahm ich so häufig teil, bis ich gefunden hatte, was ich wollte.

Und dann?

Pietrosiuk Später hat sie mir bei der Bewerbung geholfen. Ich hatte seit Jahren nur formlose wissenschaftliche Lebensläufe verschickt. Was zu einem guten Anschreiben gehört, wusste ich nicht.

Martini Aleksandra hat das schon ohne meine Hilfen gut gemacht. Trotzdem kann ich meistens noch weiterhelfen. Ich war bei BASF in der Personalentwicklung tätig und weiß, wie Unternehmen ticken. Ich kenne ihre Sprache und kann gegensteuern, wenn Doktoranden nur ihre wissenschaftlichen Leistungen betonen, sonstige Stärken und ihre Persönlichkeit aber nicht genügend herausarbeiten. Außerdem unterstütze ich die Doktoranden dabei, ihre wissenschaftlichen Vorlieben besser zu erkennen. Die meisten können anfangs kaum benennen, ob ihnen nun die praktische Laborarbeit besser liegt oder das Verfassen wissenschaftlicher Aufsätze, oder ob sie vielleicht besonders gut darin sind, Konferenzen zu organisieren oder Studenten zu unterrichten. Pietrosiuk Das bringt ja auch für die eigentliche Doktorarbeit rein gar nichts. Stärken bei der Kommunikation oder als Organisator von Konferenzen verpuffen dort total.

Trotzdem haben Sie es immer wieder gemacht.

Pietrosiuk Klar, ich habe daran Spaß und wollte diese Fähigkeiten ausbauen, und bei meiner Bewerbung habe ich damit entscheidend gepunktet. In der Universität wird oft vermittelt, dass nur diejenigen, die es in der Wissenschaft nicht schaffen, in die Industrie wechseln. Das ist Unsinn. Dort sind einfach andere Fähigkeiten gefragt. Wer die hat, würde vielleicht im universitären Umfeld verkümmern - und umgekehrt.

Müssen Sie Wissenschaftler in dieser Hinsicht erziehen, Frau Martini?

Martini Nicht direkt, wir helfen den Doktoranden schließlich auch, möglichst gute Stipendien und Postdoc-Positionen für eine weitere wissenschaftliche Karriere zu finden. Aber die bisherigen Absolventen verteilen sich nun mal sehr gleichmäßig auf Wissenschaft, Industrie, Beratungsunternehmen und Verlagswesen - das erkennen inzwischen auch die Nachwuchsforscher.

Frau Pietrosiuk, worum ging es bei Ihrer Doktorarbeit?

Pietrosiuk Ich habe das Protein ClpV untersucht, das Bakterien vom Typ Vibrio cholerae Energie für ein bestimmtes Sekretionssystem liefert. Das sind Mechanismen, mit denen Bakterien bestimmte Wirkstoffe entweder in ihre Umgebung ausscheiden, um deren Milieu zu ihren Gunsten zu verändern, oder aber in andere Zellen einschleusen.

Was hat das Bakterium davon?

Pietrosiuk Bakterien nutzen die Sekretionssysteme ganz friedlich zur Kommunikation, aber eben auch, um sich so stark wie möglich zu verbreiten. Das Protein VgrG etwa punktiert nicht nur die Zellmembran wie ein Stachel, sondern bringt auch Giftstoffe ins Innere der Wirtszelle. Das könnte zum Beispiel bei Fresszellen im Magen-Darm-Trakt des Menschen geschehen. Diese sogenannten Makrophagen würde es damit lahmlegen, damit sie Vibrio cholerae nicht vernichten. So kann sich das Bakterium in aller Ruhe ausbreiten und gelangt dann zurück in die Umwelt - über Durchfall, den es selbst verursacht.

Bedauern Sie nicht, dass Sie Ihre Forschungsarbeit nicht weiterführen können?

Pietrosiuk Dass wir jetzt genauer wissen, wie ClpV Energie für die Sekretion bereitstellt, das ist ein Durchbruch, an dem Forscher in aller Welt in den nächsten Jahren weiterarbeiten werden. Ich selbst hänge aber nicht an meinem Thema. Eher an den Fähigkeiten, die ich mir in der Zeit angeeignet habe.

 

Kurzbiografien

Dr. Alexandra Pietrosiuk

Aleksandra Pietrosiuk Aleksandra Pietrosiuk hat am 1. September eine Stelle in der Forschungsabteilung von Procter & Gamble in Brüssel angetreten. Sie studierte Biotechnologie in Danzig und Perugia (Italien) und kam bereits für ihre Bachelorarbeit ans Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) nach Heidelberg. Dem Master an der Universität Heidelberg folgte die Dissertation am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) über ein neu entdecktes Sekretionssystem am Bakterium Vibrio cholerae. Zugleich gehörte Pietrosiuk der Hartmut Hoffmann-Berling Graduiertenschule für Molekular- und Zellbiologie (HBIGS) an. Als Windsurfprofi wurde sie zwischen 1997 und 2003 unter anderem polnische Vizemeisterin und Zehnte bei einer Juniorenweltmeisterschaft.

Sandra Martini

Sandra Martini Sandra Martini will Doktoranden möglichst umgehend nach ihrer Promotion unterbringen - sei es in der Wissenschaft oder in der Wirtschaft. Sie selbst hat in Heidelberg und Jena Erwachsenenpädagogik mit dem Schwerpunkt Betriebliche Weiterbildung sowie osteuropäische Geschichte und Literatur studiert und danach als Beraterin und Coach bei BASF in Ludwigshafen gearbeitet. Seit März 2008 hat Martini den Career Service der HBIGS aufgebaut und berät Doktoranden bei der Berufswahl und im Bewerbungsverfahren. Zudem organisiert sie überfachliche und berufsrelevante Kurse sowie Kamingespräche, mit denen sich HBIGS-Doktoranden für eine Karriere nach der Promotion rüsten.

 

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Letzte Änderung: 16.03.2018
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