Versuche zum Neolithischen Ackerbau (Anbauversuche Forchtenberg)
beteiligt: |
Prof. Dr. Wolfram Schier |
Sponsoren: |
Deutsche Forschungsgemeinschaft |
Fachgebiete: |
Experimentelle Archäologie, Ur- und Frühgeschichte, Botanik, Bodenkunde, Land- und Forstwirtschaft, Experimentelle Archäologie, Ur- und Frühgeschichte, Botanik, Bodenkunde, Land- und Forstwirtschaft |
Kooperation: |
Institut für Vor- und Frühgeschichte FU Berlin, Landesamt für Denk malpflege beim RP Stuttgart, Botanische Institute Universität Freiburg, Institut für Boden- und Standortskunde Universität Hohenheim, Geo graphisches Institut Universität Würzburg, Rheinische Bodendenkmal pflege, Geologisches Institut Universität Zürich |
Stichworte: |
Experimente zur spätneolithischen Landnutzung, Getreidebau, Shifting, Cultivation, Slash-and-Burn |
Kurzbeschreibung:
In diesem seit 1994 in Hohenlohe und seit 1998 in Forchtenberg am Kocher angesiedelten interdisziplinären Projekt wird spätneolithische Landnutzung und Getreidebau, wie sie sich aufgrund paläoökologischer Untersuchungen an den Feuchtbodensiedlungen des Alpenvorlandes wahrscheinlich sind, experimentell nachgestellt. Aufwand und Ertrag des postulierten slash-and-burn-Verfahrens werden in langjährigen Versuchsreihen unter Verwendung authentischer Geräte und Arbeitstechniken erfasst und mit den entsprechenden Daten anderer Anbauverfahren verglichen. Dies sind im Einzelnen einmaliger Anbau nach Einschlag ohne Brand, aber mit Bodenbearbeitung, sowie fortgesetzter Anbau mit Bodenbearbeitung und ohne Brand, sowie fortgesetzter Anbau mit regelmäßigem Brand, aber ohne Bodenbearbeitung.
Zielsetzung und vorgesehene Arbeiten:
Gemäß dem heutigen Forschungsstand wurden Pflugbau und Düngeverfahren, nämlich Mistdüngung, erst an der Schwelle zu den Metallzeiten entwickelt. Beide, insbesondere die Nährstoff-Umverteilungswirtschaft mit Hilfe des Viehdungs, stellen jedoch die Voraussetzungen für ortsfeste, ständig bewirtschaftete Felder mit Kurzbrache dar. Im Neolithikum ist eher an Hackbau zu denken, was bei fortgesetzter Bewirtschaftung ohne Düngung nur auf besten Böden möglich ist, oder an shifting cultivation mit einem slash-and-burn-Verfahren. Während das erstgenannte trotz schlechter Quellenlage für das Frühneolithikum favorisiert wird, sprechen für das Spätneolithikum im Alpenvorland alle Indizien für shifting cultivation.
Eine vergleichende Überprüfung der Verfahren durch experimentellen Nachvollzug ist im Gange. Dabei soll ermittelt werden, wie sich Arbeitsaufwand und Ertrag der unterschiedlichen Verfahren unter Einsatz authentischer bzw. im Neolithikum prinzipiell möglicher Arbeitstechniken und Geräte darstellen.
Vorläufige Ergebnisse:
Aufgrund der Komplexität des Themas, der erforderlichen Zahl von Messreihen für statistisch abgesicherte Aussagen und der natürlichen Dauer der ablaufenden Prozesse liegen zwar schon viele Ergebnisse vor, doch sind noch mindestens ebenso viele Frage unbeantwortet. Auf den verfügbaren Böden (oberflächlich stark versauerte Pseudogleye, mittelgründige Löß-Parabraunerden) ist Hackbau, unabhängig ob einmalig nach Einschlag oder fortgesetzt, nur an den allerbesten Standorten möglich. Meist liegen die Erträge aber unter der Aussaatmenge.
Das slash-and-burn-Verfahren liefert dagegen auf allen Böden sichere Erträge, die auf den schlechten Standorten bei 20dt/ha liegen und auf den besten bis zu 80dt/ha erreichen. Trotz des etwas höheren Arbeitsaufwandes beim slash-and-burn ist der Aufwand zur Erzeugung einer bestimmten Getreidemenge wegen der viel kleineren benötigten Anbaufläche dennoch viel geringer als beim Hackbau. Die unerwartet hohen Flächenerträge legen auch ein Revidieren aller bisherigen neolithischen Landnutzungsmodelle nahe.
Die wesentlichen Ursachen für die hohen Erträge sind auf den Brand zurück zu führen, nämlich:
- Vernichtung der vorherigen oberirdischen Vegetation und Verzögerung des Neuaustriebs
- Nährstoffmobilisierung
- Aufbasung und dadurch bessere Nährstoffverfügbarkeit
- Höhere Bodentemperatur im Frühjahr aufgrund der schwarzen Oberfläche
Für einen effektiven Flächenbrand mit der Brandwalzen-Technik wird in einem mittelalten Waldbestand das abgetrocknete Schwachholz einer Fläche benötigt, die etwa doppelt so groß ist wie die überbrannte Fläche. Bei einem Jungbestand kann das gesamte Holz für den Brand verwendet werden. Außerdem ist der Aufwand für das Fällen und Zurichten geringer. Wenn der Anbau nach einem Jahr wegen Brennholzmangel aufgegeben wird regeneriert sich der Laubholzbestand über Stockausschläge und Samenanflug. Nach acht bis zwölf Jahren hat sich ein Niederwald mit einem Holzvorrat entwickelt, der eine Wiederholung des Brandverfahrens ermöglicht. Aufgrund dieser Erfahrungen muß es im vitalen Interesse der Neolithiker gelegen haben, die Bestände in regelmäßigen Abständen zum optimalen Zeitpunkt durch Einschlag, Brand und Anbau zu nutzen. Da sich auch beim Brandverfahren die Bodengüte im Ertrag durchpaust, wird für das Endneolithikum ein modifiziertes Brandverfahren vorgeschlagen, bei dem die besten Standorte ständig zum Anbau genutzt werden, wobei das benötigte Brennholz von nahen Waldbeständen auf schlechteren Böden heran geschafft wird. Dieses Verfahren ist in Erprobung.
© Manfred Rösch; Kontakt/Email
Literatur:
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Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.), Zu den Wurzeln europäischer Kulturlandschaft - experimentelle Forschungen, Materialhefte zur Archäologie 73, 2005 .
Rösch, M. (1987) Zur Umwelt und Wirtschaft des Neolithikums am Bodensee - Botanische Untersuchungen in Bodman-Blissenhalde. Archäol. Nachr. a. Baden 38/39, 42-53.
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Rösch , M. (1990b), Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen im Durchenbergried. In: Siedlungsarchäologie im Alpenvorland 2, Forsch. u. Ber. z. Vor- u. Frühgeschichte Bad.-Württ. 37, 9-56.
Rösch , M. ( 1993) Prehistoric land use as recorded in a lake-shore core at Lake Constance. Vegetation History and Archaeobotany 2, 213-232.
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Rösch , M. (1998) Anbauversuche zur (prä)historischen Landwirtschaft im Hohenloher Freilandmuseum Schwäbisch Hall-Wackershofen. In: Experimentelle Archäologie in Deutschland, Archäol. Mitt. aus Nordwestdeutschland, Beih. 19, 35-44.
Rösch , M. ( 2000) Anthropogener Landschaftswandel in Mitteleuropa während des Neolithikums. Beobachtungen und Überlegungen zu Verlauf und möglichen Ursachen. Germania 78, 293-318.
Rösch, M. (2005) Anbauversuche in Hohenlohe - Fragestellung, wissenschaftlicher Ansatz. In: Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.), Zu den Wurzeln europäischer Kulturlandschaft - experimentelle Forschungen, Materialhefte zur Archäologie 73, 67-82.
Rösch, M., Ehrmann, O., Herrmann, L., Schulz, E., Bogenrieder, A., Goldammer, J.G., Hall, M., Page, H. & Schier, W. (2002a) Zu den Wurzeln von Landnutzung und Kulturlandschaft - Sieben Jahre Anbauversuche in Hohenlohe: eine Zwischenbilanz. Fundberichte aus Baden-Württemberg 26, 21-44.
Rösch, M., Ehrmann, O., Herrmann, L., Schulz, E., Bogenrieder, A., Goldammer, J.G., Hall, M., Page, H. & Schier, W. (2002b) An experimental approach to Neolithic shifting cultivation. Vegetation History and Archaeobotany 11, 448-450.
M. Rösch, O. Ehrmann, J.G. Goldammer, L. Herrmann, H. Page, E. Schulz, M. Hall, A. Bogenrieder, W. Schier, Slash-and-Burn Experiments to reconstruct Late Neolithic Shifting Cultivation. International Forest Fire News 30, 2004, 70-74.
Schulz E (1999) Zur Entstehung mitteleuropäischer Kulturlandschaft - Beobachtungen und Experimente in Hohenlohe. Würzburger Geogr Manuskr 50: 275-296