Das Institut trauert um Frau Prof. Dr. phil. Waldtraut Schrickel.

Kurz vor Erreichen ihres 89. Geburtstags ist Frau Prof. Dr. Waldtraut Schrickel, em. Professorin für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Heidelberg, am 18. August 2009 verstorben. Zwischen 1967 und 1980 hatte sie als Professorin am Institut für Ur- und Frühgeschichte gewirkt. Aus ihrer Forschungstätigkeit erwuchs ein mehrere Monographien und zahlreiche Artikel umfassendes Schriftenverzeichnis, dessen Themen von der Kreativität und Vielseitigkeit der Verstorbenen zeugen. In der Lehre hat sie den Werdegang einer stattlichen Reihe damaliger Studierender und heute renommierter Archäologen geprägt, denen sie ihr breites Wissen vermittelt hat.


Nach Studium an den Universitäten Jena, München, Königsberg und Leipzig, wo sie im Jahre 1944 promoviert wurde, war das Vorgeschichtliche Museum und Institut für Prähistorische Archäologie der Universität Jena ihre erste Wirkungsstätte. Dort habilitiert sie sich 1952 mit einer Studie zum Thema „Der Werdegang vorgeschichtlicher Felsgeräte“. Ihre 1957 erschienene Monographie über „Westeuropäische Elemente im Neolithikum und in der frühen Bronzezeit Mitteldeutschlands“ gilt als ihr Hauptwerk und erweist sie als eine Archäologin, deren Interessen weit über Mitteldeutschland hinausgehen. Die Übersiedlung in die Bundesrepublik im Jahre 1959 bedeutete für sie, sich eine neue berufliche Existenz aufbauen zu müssen. Nach kurzen Zwischenstationen am Rheinischen Landesmuseum in Bonn sowie bei der Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt am Main, wirkte sie ab 1959 an der Universität Heidelberg, zunächst im Rahmen einer Assistenz und seit 1967 als Professorin am Institut für Ur- und Frühgeschichte. Im Jahre 1979 legte sie die Monographie „Zur frühgeschichtlichen Tier- und Bandornamentik“ vor, in der sie sich mit den Stilen der Völkerwanderungszeit und des frühen Mittelalters in Skandinavien auseinandersetzte.


In den 1960er Jahre war es noch für eine Frau alles andere als selbstverständlich, an einer deutschen Universität eine Professur zu bekleiden. Mit dem ihr eigenen starken Willen und organisatorischen Talent hat sich Frau Prof. Schrickel den Respekt ihrer männlichen Kollegen erkämpfen müssen. Als der Institutsdirektor, Vladimir Milojčić, 1978 plötzlich verstarb, war sie es, die als kommissarische Leiterin die Geschicke des Institutes mit viel Umsicht lenkte und dafür sorgte, dass ein das Fach gefährdender Exodus der Studierenden nicht stattfand und die wissenschaftlichen Ausrichtung des Institutes erhalten blieb.


An dem Fach Ur- und Frühgeschichte faszinierte Frau Prof. Schrickel die Kombination von Theorie und Praxis. Sie genoss es, in der archäologischen Feldforschung tätig zu sein und Studierende in der Ausgrabungstechnik zu unterweisen. Die seinerzeit von Heidelberg ausgehenden Ausgrabungen in dem Michaelskloster auf dem Heiligenberg und der Sola-Basilika von Solnhofen profitierten ganz entscheidend davon, dass sie sich von ganzem Herzen der archäologischen Feldforschung verschrieben hatte.


Es zeichnete Frau Prof. Schrickel aber auch aus, dass sie, abgesehen von ihrem Beitrag zu Forschung und Lehre, ihre tiefe Verbundenheit mit ihrer Heidelberger Wirkungsstätte und den Studierenden auf sehr praktische Weise zum Ausdruck gebracht hat. Mit außerordentlichem Sachverstand hat sie zwischen 1965 und 1995 – das heißt nicht weniger als 15 Jahre in ihren Ruhestand hinein – die international viel beachteten Publikationsreihen des Institutes zur Archäologie des Mittelmeerraumes sowie der Balkan-Kommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften redaktionell betreut.


Mit ihrem Intellekt und ihrer Lebendigkeit hat Frau Prof. Schrickel Studierende begeistert und dem Institut in schwierigen Zeiten geholfen. Ihr Engagement für die Archäologie ging sogar so weit, eigene Mittel zur Förderung archäologischer Forschung im In- und Ausland einzusetzen. Dem Rumänischen Thrakologischen Institut schenkte sie einen Kleinbus zur Durchführung archäologischer Feldforschung, und für das Heidelberger Institut richtete sie 1996 eine Stiftung ein, mit der Engpässe bei der Drucklegung von Publikationen finanziell aufgefangen werden sollen. All dies hat sie zu einem Vorbild eines Universitätslehrers gemacht.


Es war für sie ein unerhofftes Geschenk der historischen Umstände, ihren Lebensabend in Dresden, der Stadt ihrer Jugendjahre, verbringen zu dürfen. Dort hat sie sich bis kurz vor ihrem Tode ihren heimlichen Leidenschaften, der Photographie und der Malerei, gewidmet. In ihrem geliebten Dresden ist Waldtraut Schrickel auch gestorben.


Joseph Maran


Aufsatz von Frau Dr. Bräuning | Wider das Vergessen | PDF 1.6 MB

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 21.09.2009
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