Schwäbisch Gmünd – Heiligkreuzmünster

Das Heiligkreuzmünster in Schwäbisch Gmünd
und die monumentalen Stadtpfarrkirchen des 14. Jahrhunderts

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wird das Heiligkreuzmünster in Schwäbisch Gmünd von Grund auf neu geplant und errichtet. Man beginnt mit dem Bau des Langhauses im Westen. 1351 folgt die Grundsteinlegung für einen monumentalen Hallenumgangschor. In der Kunstgeschichte zählt das Heiligkreuzmünster zu den herausragenden Bauten in der Architektur des 14. Jahrhunderts. Die Forschung interessierte sich bisher vor allem für die Rolle der Baumeisterfamilie der Parler an der Architektur und die stilistischen Verbindungen zu anderen Parlerbauten.
Die Stiftung Kessler + Co für Bildung und Kultur aus Abtsgmünd finanziert nun eine Doktorarbeit, die die Entstehungsbedingungen des Münsters im 14. Jahrhundert näher erforschen soll. Die Dissertation wird von Prof. Dr. Matthias Untermann betreut und von Nadja Lang M.A. bearbeitet.

Heiligkreuzmünster in Schwäbisch Gmünd, Innenansicht
Heiligkreuzmünster in Schwäbisch Gmünd,
Innenansicht, Blick nach Osten.
Foto: Nadja Lang, IEK Heidelberg.
Blick auf Schwäbisch Gmünd mit Heiligkreuzmünster
Blick auf Schwäbisch Gmünd mit
Heiligkreuzmünster,
aufgenommen von Karl-Otto Lang um 1925.
Foto: Wikimedia Commons,
Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd,
Bestand E06 Nr. 549 / CC-BY-SA 3.0 DE.

 

Die ambitionierte Architektur der Kirche lässt zunächst nicht vermuten, dass ihr Status im 14. Jahrhundert nur der einer Pfarrkirche im Bistum Augsburg war. Seit etwa 1300 gehörten die Patronatsrechte an der Heiligkreuzkirche dem Augsburger Domkapitel, was damals bedeutete, dass das Domkapitel auf die Einnahmen der Kirche zugreifen konnte, den zuständigen Pfarrer bestimmte, sowie mindestens ein Mitspracherecht bei baulichen Entscheidungen hatte.
Erst im frühen 20. Jahrhundert verfügt der Bischof von Rottenburg, dass die Heiligkreuzkirche offiziell den Titel ‚Münster‘ tragen darf. Das Wort deutet eigentlich auf eine Stifts- oder Abteikirche hin, bezeichnet aber im südwestdeutschen Raum oft unspezifisch eine große Kirche (so z.B. auch in Freiburg und Ulm). Die Gmünder nennen ihre Kirche nachweislich schon seit dem späten Mittelalter immer wieder ‚Münster‘.
Bereits die im Mittelalter am Heiligkreuzmünster realisierte Architektur verweist eher auf den Status von Bischofs- oder bedeutenden Stiftskirchen und kann zumindest in Größe und Qualität mit diesen mithalten, einige von ihnen gar übertreffen. Im Verhältnis zu der damals vergleichsweise kleinen Reichsstadt erscheint die Kirche völlig überdimensioniert.
Die Situation in Gmünd ist kein Einzelfall. In weiteren bedeutenden oder wohlhabenden Städten kann man ab dem 14. Jahrhundert vermehrt beobachten, dass deren Pfarrkirchen mit ihrem Bauaufwand und Dimensionen den Kirchen von Bischöfen oder großen Stiftskapiteln Konkurrenz machen. Man denke beispielsweise an die monumentalen Stadtkirchen in Lübeck, Nürnberg, Ulm oder Soest.

Die Arbeit widmet sich zwei zentralen Fragen: Wie kommt es dazu, dass diese Stadtpfarrkirchen so groß und enorm repräsentativ werden, und wen oder was repräsentieren sie eigentlich? Dazu soll das Thema aus zwei Perspektiven erschlossen werden.

Zum einen ist es notwendig, die historischen Entstehungsbedingungen der Gmünder Kirche und weiterer ausgewählter Pfarrkirchen näher zu beleuchten.

  1. In welchem Verhältnis stehen die Bürger und Mitglieder der Pfarrgemeinde auf der einen und der Patronatsinhaber auf der anderen Seite? Ältere Forschungen zeichnen hier oft einen starken Gegensatz und eine Art ständigen Kampf zwischen den Stadtbürgern und einer meist nicht genauer definierten ‚kirchlichen Obrigkeit‘. Während es zwar in einigen Fällen überlieferte Konflikte zwischen Städten und ihren Kirchenherren gibt, muss man die Interaktion zwischen einzelnen Bürgern, städtischen Institutionen und verschiedenen kirchlichen Institutionen (dazu gehören oft Bischof, Domkapitel, Pfarrer, sowie die ansässigen Bettelorden) wohl wesentlich differenzierter betrachten.
  2. Wie läuft eigentlich die Planung, Realisierung und Finanzierung solcher großen Bauprojekte im Mittelalter ab? Welche Parteien tragen Verantwortung oder haben Mitbestimmungs- und Vetorechte? Von wem gehen Initiativen aus? Ältere historische und kunsthistorische Konzepte von sogenannten ‚Bürgerkirchen‘, die allein von den Stadtbürgern gefördert und finanziert werden, vereinfachen die Sache vielleicht zu sehr, auch wenn finanzkräftige Bürger mit einem Bedürfnis nach Repräsentation und Memoria für ihre Familie sicherlich eine wesentliche Rolle spielen. Allerdings kommen große und teure Bauprojekte auch heutzutage nicht ohne einen gewissen Konsens verschiedener Parteien zustande.

Die Arbeit soll so gut wie möglich für die einzelnen Kirchen klären, wer eigentlich wichtige bauliche Entscheidungen trifft. Warum schreiten Domkapitel als Patronatsinhaber nicht ein, wenn eine Gemeinde ihre Pfarrkirche so riesig und repräsentativ erbaut, dass sie potenziell deren Status untergraben könnte?

Marienkirche in Lübeck, Südseite
Marienkirche in Lübeck, Südseite.
Foto: Wikimedia Commons,
Roland Meinecke / CC-BY-NC-ND 3.0 DE.
St. Sebald in Nürnberg, Nordseite
St. Sebald in Nürnberg, Nordseite.
Foto: Wikimedia Commons,
jailbird / CC-BY-SA 2.0 DE.
Ulmer Münster, Luftbild von Südwesten
Ulmer Münster, Luftbild von Südwesten.
Foto: Wikimedia Commons,
Seematze / CC-BY 3.0 DE.

 

Zweitens soll die Architektur dieser Kirchen aus kunsthistorischer Perspektive in den Blick genommen werden. Welche Bautypen und Formen werden für Stadtpfarrkirchen bevorzugt genutzt? Gibt es überhaupt Tendenzen und Muster, die nicht durch allgemeine Trends und Stilentwicklungen erklärt werden können? Gibt es unausgesprochene oder uns unbekannte Maßstäbe für die Architektur von Bauten eines bestimmten Ranges, also zum Beispiel für ‚bischöfliche‘ oder ‚bürgerliche‘ Kirchen? Ist eine Hallenkirche bescheidener oder ‚bürgerlicher‘ als eine Basilika?
Anhand welcher Kriterien kann man Bauaufwand, Qualität und Kosten einer Kirche überhaupt sicher einschätzen? Annahmen über diese Faktoren bedingen schließlich wiederum die Bewertung eines Gebäudes in repräsentativer Hinsicht. Hier sollte man zumindest in Erwägung ziehen, ob nicht manche Bauten im Hinblick auf ihre Qualität und ihren Kostenaufwand über- oder unterschätzt werden.

Die Arbeit teilt sich also in zwei parallel zu verfolgende Stränge auf, nämlich einerseits die Frage nach den historischen Entstehungsbedingungen, und andererseits die Frage, wie sich diese in den Gestaltungsentscheidungen an der Architektur der Kirche niederschlagen.
Das Zentrum dieser Fragen bildet das Heiligkreuzmünster in Gmünd. Der Blick muss aber auf vergleichbare Beispiele geweitet werden, um mithilfe einer breiteren Datenlage möglichst gut gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen, und um fehlende Quellen an einzelnen Orten, beispielsweise in Gmünd, zu kompensieren.
Den Kern der Arbeit bilden daher bedeutende monumentale Stadtpfarrkirchen des 14. Jahrhunderts. Neben dem Heiligkreuzmünster zählen dazu die Marienkirche in Lübeck, die beiden Nürnberger Pfarrkirchen St. Sebald und St. Lorenz und das Ulmer Münster. In Betracht kommen auch das Freiburger Münster und die Wiesenkirche in Soest. Eine Vielzahl weiterer Stadtpfarrkirchen erhalten im 14. Jahrhundert beachtliche Neu- oder Umbauten, fallen jedoch in Dimensionen und Bauaufwand hinter den genannten Beispielen etwas zurück (z.B. Reutlingen, Friedberg, Stralsund). Diese Kirchen und solche, die nicht ganz in den gesteckten Zeitrahmen fallen, werden punktuell in die Arbeit einfließen.

Seitenbearbeiter: Webadministrator
Letzte Änderung: 15.03.2021
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