Projekte
- Das Settlement-Haus der Reichsuniversität Tokyo: Die Überwindung sozialer Ungleichheit im Japan der Zwischenkriegszeit
Im Jahr 1923 gründeten Professoren und studentische Aktivisten der Universität Tōkyō ein Settlement-Haus in Honjo, einem verarmten Arbeiterviertel der Stadt. Obwohl das Settlement-Haus, das bis 1938 in Betrieb war, auch den Charakter eine Wohlfahrtseinrichtung hatte, sollte zugleich eine autonome Arbeiterbewegung geschaffen werden. Der Jura-Professor und Initiator des Settlement Suehiro Izutarō strebte an, dass das Proletariat „gesellschaftliche Missstände durch seine eigene Initiative beheben“ und „unabhängig Ausbeutung bekämpfen“ solle. Das Settlement wurde finanziell unterstützt u.a. vom Kaiserhaus und dem Innenministerium; nichtsdestotrotz waren die meisten dort aktiven Studierenden Marxisten mit Verbindungen zu der linken studentischen Gruppierung Shinjinkai. Die ehrgeizigen Aktivitäten im Settlement umfassten u.a. eine Abendschule für Arbeiter, ein Erwachsenenbildungsprogramm, eine Nachmittagsbetreuung für Schulkinder, einen Hort für Vorschulkinder, kostenlose Rechtsberatung, kostenlose medizinische Versorgung sowie eine Verbraucherkooperative. Darüber hinaus gab es Wohnraum für Studenten der Universität Tōkyō, die so in unmittelbarer Nachbarschaft des Proletariats, somit des revolutionären Subjekts, leben konnten.
Das Projekt wird seit April 2021 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Im Mittelpunkt der Projektarbeit steht zunächst die Arbeitererziehung als wichtigstes Mittel des Settlement, die Armen der Stadt durch unabhängige Bildungsmaßnahmen aufzuklären und zu mobilisieren. Doch auch die Kontexte der (öffentlichen und privaten) Wohlfahrtsbemühungen der Zeit sowie der marxistischen Ideen (viele der Settler konvertierten in den 1930er Jahren zur Rechten) werden behandelt. Hier stellt sich nicht zuletzt die Frage nach dem Etatismus der japanischen Linken der Vorkriegszeit, der eine Hinwendung zum Staat als Agenten sozialen Wandels und zum ethnischen Nationalismus vermutlich erleichterte.
Aktuelle Projekte
- Mahāyāna in Europa. Japanische Buddhisten und ihr Beitrag zum wissenschaftlichen Wissen über Buddhismus im Europa des 19. Jahrhunderts
Der europäische Religionsbegriff durchlief zwar bereits in der Frühen Neuzeit bedeutende Transformationen, wurde jedoch erst im 19. Jahrhundert entscheidend als Wissenskategorie geformt. Dass dieser Prozess der Wissensbildung eine globale Dimension hatte, ist bislang nur im Sinne einer asiatischen Rezeption europäischer Ideen allgemein anerkannt. Doch auch asiatische Ideen hielten Einzug in Europa, wie das Beispiel der frühen Religionswissenschaft, als zentraler Instanz zur wissenschaftlichen Verhandlung von Religion, zeigt. Schon zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Disziplin nämlich bestanden intensive Kontakte zwischen japanischen Gelehrten und religiösen Experten (i.d.R. buddhistische Geistliche) und europäischen Orientalisten wie Léon de Rosny, Friedrich Max Müller, Sylvain Lévi u.a. Der große Einfluss, den diese Kontakte auf die nach 1900 entstehende japanische Indologie und Buddhologie hatten, ist gut aufgearbeitet; andersherum ist nicht geklärt, inwiefern sich das Verständnis des ostasiatischen Buddhismus, oder von asiatischer Religion überhaupt, durch die Vermittlung ostasiatischer Akteure in der europäischen Orientalistik veränderte, und wie sich dies wiederum auf den Begriff von Religion in der Religionswissenschaft, die die Ergebnisse der Orientalistik intensiv rezipierte, auswirkte. Japanische Auslands-„Studenten“ interagierten jedoch seit den 1870er Jahren durchaus mit der europäischen Orientalistik und Religionswissenschaft. Erst aus diesem Zusammenspiel trat um 1900 ein globaler Religionsbegriff hervor, der sich durch seine Betonung der Innerlichkeit von Religion auszeichnete.
Das Projekt wurde von 2017 bis 2020 von der DFG gefördert; aus diesen Mitteln wurden Stellen für Dr. Stephan Licha, Ulrich Harlass, M.A., Clara Böhme, M.A., Julia May, B.A., und Violetta Janzen, B.A., finanziert.
- „Spiritual Pan-Asianism: The Religious Dimension of a Political Movement“ (Teilprojekt innerhalb der Interdisziplinären Forschungsgruppe MC7 „Discursive Practices of Political Legitimation“
Finanziert von: Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“
Projektleiter: Prof. Dr. Hans Martin KrämerDie Rolle des Asianismus oder Pan-Asianismus bei der Findung einer politischen und kulturellen Identität des modernen Japan ist in den letzten Jahren intensiv untersucht worden. Dabei fällt aus religionswissenschaftlicher Perspektive ein methodologischer Säkularismus auf, das heißt, nicht streng rationaler, ökonomisch-politischer Motivation zuzuordnendes Handeln der historischen Akteure ist systematisch ausgeblendet worden – obwohl die Hinweise auf nicht bloß aus strategischen Gründen erfolgte Identifikation mit spirituellen oder religiösen Strömungen oder Gruppierungen zahlreich sind. Dabei ist gerade die aus säkularistischer Sicht verstörende fehlende Trennung „politischer“ und „religiöser“ Motive aus Sicht der Akteure selbst spannend. So gibt es eine ganze Reihe von Individuen, die auf jeweils unterschiedliche Art politische Anliegen des Asianismus mit religiösen Zielen verbinden; viele von diesen eint ein besonderes Engagement im antikolonialen Befreiungskampf in Indien, das sich mit einer Begeisterung für eine pan-asiatische Religiosität verbindet. Ein besonders spannender und wenig bekannter Fall ist der des Franzosen Paul Richard, der als ehemaliger protestantischer Pfarrer ein Protagonist theosophischer Kreise in Paris, der in Südindien mit dem Politaktivisten und späteren Guru Sri Aurobindo zusammentrifft und sich mit seiner Frau, der späteren spirituellen Führerin des Sri Aurobindo Ashram, ab 1914 vier Jahre in Japan aufhält. Dort entfaltet er eine rege Tätigkeit im Dienste der antikolonialen Befreiungsbewegung, zugleich immer von der Vision einer befreienden Religiosität beseelt. Die in Europa, Indien und Japan verstreuten Veröffentlichungen und Hinterlassenschaften Richards zu sammeln und auszuwerten ist eines der ersten Ziele dieses Projekts.
- "Strategies of Translating Christian Terminology into Japanese: The Problems Concerning Buddhist Vocabulary in 16th and 17th Century Christian Literature"
Dauer: 2010-2012
Finanziert von: Fritz Thyssen Foundation
Projektleiter: Prof. Dr. Judit Árokay
Projektmitarbeiter: Dr. theol. Shin Yoshida
Abstract - Language and Cultural Translation: Asymmetries in the Emergence of Modern Written Languages
Finanziert von: Exzellenzcluster "Asia and Europe in a Global Context"
Projektleiter: Judit Árokay, Jadranka Gvozdanovic
Projektmitarbeiter: Noriyo Hoozawa-Arkenau, Katharina Kunz, Corinna Menzer, Asa-Bettina Wuthenow - Gauging Cultural Asymmetries: Asian Satire and the Search for Identity in the Era of Colonialism and Imperialism
Finanziert von: Exzellenzcluster "Asia and Europe in a Global Context"
Projektleiter:Judit Árokay, Gita Dharampal-Frick, Susanne Enderwitz, Hans Harder, Barbara Mittler, Michael Ursinus
Projektmitarbeiter:Chaiti Basu, Elif Elmas, Eliane Ursula Ettmüller, Sonja M. Hotwagner, Prabhat Kumar, Swarali Paranjape, I-Wei Wu - Kommentierte Herausgabe von Schriften von Maruyama Masao (1914-1996): Band 2 des Projekts "Freiheit und Nation in Japan. Ausgewählte Aufsätze 1916-1949," Iudicium Verlag, München.
Projektleiter: Prof. Dr. Wolfgang Seifert