Melanchthon-Briefwechsel
Kritische und Kommentierte Edition
Der Humanist Philipp Melanchthon (1497–1560) war als Professor in Wittenberg Kollege Martin Luthers. Beeindruckt von dessen Lehre der geschenkten Gnade wurde er sein wichtigster Mitarbeiter bei der Einführung der Reformation. Neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität verfasste er zahlreiche Lehrbücher, Kommentare zu antiken Schriften und biblischen Büchern, naturwissenschaftliche, historische und theologische Werke, engagierte sich in der Universitätsverwaltung für eine Studienreform und wurde als Berater bei Schul- und Universitätsgründungen nach außerhalb gerufen. Die enorme wissenschaftliche Bandbreite seiner Schriften und sein Anteil an der Entwicklung des christlich-humanistischen Bildungswesens sind der Grund dafür, dass er als „Praeceptor Germaniae“, als „Lehrer Deutschlands“ bezeichnet wurde. Als Berater der sächsischen Kurfürsten reiste er zu Reichstagen und Religionsgesprächen und führte Kirchenvisitationen durch. Neben der Abfassung von wissenschaftlichen Werken und zahlreichen Gedichten führte Melanchthon eine ca. 9.750 Stücke umfassende Korrespondenz, die sich über ganz Europa erstreckt; dabei überwiegt die Zahl der von Melanchthon verfassten Briefe um ein mehrfaches die Briefe, die er bekommen hat. Außer „eigenen“ Briefen entwarf Melanchthon viele Schreiben für seine Fürsten und andere Personen. Zu seinen Briefpartnern (Briefpartnerinnen begegnen nur in geringer Anzahl) gehörten bedeutende Persönlichkeiten des 16. Jahrhunderts (z.B. Kaiser Karl V., König Heinrich VIII. von England, Erasmus von Rotterdam, Martin Luther, Johannes Calvin) genauso wie unbekannte Studenten und deren Verwandte. Ein eigenes Corpus innerhalb des Briefwechsels bilden die mehr als 600 Briefe Melanchthons an seinen langjährigen Freund Joachim Camerarius, der diese Briefe bereits 1569 drucken ließ.
Die angesprochenen Themen sind so vielfältig wie die Aufgaben, denen Melanchthon sich widmete: Neben den Alltagsgeschäften, aktuellen theologischen, philologischen und politischen Fragen gibt es Widmungsbriefe, Trost- und Glückwunschschreiben, Empfehlungs- und Bittbriefe für Studenten, auch einige Briefgedichte. Die meisten Briefe sind lateinisch, die Korrespondenz vor allem mit den deutschen Fürsten und Städten ist deutsch, einige wenige und spezielle Briefe sind auf Griechisch verfasst (z.B. der über Luthers Heirat vom 16. Juni 1525). Die große Zahl der Briefe ermöglicht minutiöse Einblicke in Melanchthons Leben und Wirken und stellt einen wichtigen Baustein für seine Biographie dar. Über seine Person hinaus vermitteln die Briefe Kenntnisse über die Beziehungen zwischen Gelehrten des 16. Jahrhunderts, über ihre Vernetzung und die Strukturen ihrer Kommunikation und geben Aufschluss über wichtige politische und reformatorische Ereignisse aus der Sicht von Teilnehmenden (z.B. den Augsburger Reichstag von 1530).
Die Ausgabe „Melanchthons Briefwechsel“ ist in zwei Reihen angelegt:
- Das Regestenwerk erschließt die Briefe, Gutachten, Vorreden und verwandten Schriftstücke aus den Jahren 1514 bis 1560 geordnet durch paraphrasierende deutsche Inhaltsangaben (Regesten) in chronologischer Folge und exakten datiert. Die vorkommenden Personen und Orte werden nach Möglichkeit identifiziert. Kommentierende Bestandteile sind: ein Ortsverzeichnis, das alle in Melanchthons Briefwechsel genannten Orte mit damaliger und heutiger politischer Zugehörigkeit erschließt; ein Itinerar, das über Melanchthons jeweiligen Aufenthaltsort Auskunft gibt; und ein Personenverzeichnis, das nicht nur die Briefe auflistet, in denen die jeweilige Person eine Rolle spielt, sondern auch Biogramme der ca. 7.000 in Melanchthons Briefwechsel vorkommenden Personen mit Literaturnachweisen bietet und dadurch einen wichtigen Beitrag zur Prosopographie des 16. Jahrhunderts leistet. Das Regestenwerk umfasst insgesamt 16 Bände. Die Regesten stehen auch kostenfrei als Datenbank im Internet zur Verfügung: unter dem Link Projekthomepage: Regesten.
- Die Textbände präsentieren die kritische Edition der meist lateinisch oder deutsch abgefassten Briefe. Zusätzlich wird die Überlieferung jedes Briefes in Handschriften und Drucken seit dem 16. Jahrhundert dokumentiert und charakterisiert. Mehrere Apparate geben Aufschluss über Korrekturen in Autographen, über unterschiedliche Textbefunde in Abschriften und Textverfälschungen in früheren Editionen. Außerdem werden Zitate aus der antiken und christlichen Literatur, aber auch literarische Anspielungen nachgewiesen. Inzwischen liegen 24 Bände mit den Texten der Jahre 1514–1556 vor: siehe Projekthomepage: Publikationen.
Beteiligte Personen
Ansprechpartner:innen
Kontakt
Projekt-E-mail-Adresse
melanchthon@hadw-bw.de
Forschungsstellenleiterin
Dr. Christine Mundhenk
Projektmitarbeiter:innen
Dr. Matthias Dall’Asta
Heidi Hein
Tobias Gilcher
Regine Klar
LAUFZEIT UND FÖRDERGEBER
Das Projekt startete 1965 und wird durch das Akademienprogramm des Bundes
und der Länder durch die Heidelberger Akademie der Wissenschaften gefördert.
2030 wird die Edition abgeschlossen sein.
Publikationen
Melanchthons Briefwechsel. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe, im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hg. von Heinz Scheible (bis 2009) bzw. Christine Mundhenk (ab 2010), 16 Bde. Regesten und Register (abgeschlossen) sowie bisher (2024) 24 Bde. Texte, Stuttgart-Bad Cannstatt 1977ff.
Heinz Scheible, Melanchthons Briefwechsel. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe; ein Projekt der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. In: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland; Berichtsjahr 1994. München 1995, S. 22–24.
Walter Thüringer, Die Melanchthon-Forschungsstelle Heidelberg. Gründung, Entwicklung, Ertrag. In: Dona Melanchthoniana. Festgabe für Heinz Scheible zum 70. Geburtstag, hrsg. von Johanna Loehr. Stuttgart-Bad Cannstatt, Verlag 2001; 2. unveränderte Aufl. 2005, S. 521–536.
Christine Mundhenk, Melanchthons Briefwechsel. In: Volker Sellin, Eike Wolgast, Sebastian Zwies (Hrsg.), 100 Jahre Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Die Forschungsvorhaben der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1909-2009. Heidelberg 2009, S. 155–161.