Martin Jug Vollgas auf der Bühne
Martin Jug vom Zentralen Sprachlabor ist Schlagzeuger der HardRockBand »Dirty Deeds«
Mit 15 Jahren entdeckte er seine Leidenschaft fürs Schlagzeug – zum Leidwesen der Nachbarn. Heute ist Martin Jug Mitglied der erfolgreichen »AC/DC«-Coverband »Dirty Deeds«. Neben Auftritten bei den Festivals »Wacken Open Air« und dem italienischen »Alpen Flair« wurden die Bandmitglieder auch schon nach Kabul geflogen, um auf dem dortigen NATO-Stützpunkt zu spielen. An der Universität Heidelberg kümmert sich Martin Jug um die Technik am Zentralen Sprachlabor und engagiert sich als Mitglied des Personalrats für die Belange von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Auf selbst gebastelten Trommeln aus alten Waschmittelverpackungen spielte Martin Jug seine ersten Konzerte. Die Location: sein Jugendzimmer. Das unfreiwillige Publikum: die Nachbarschaft. Heavy Metal und Hard Rock ganz im Stil seiner Lieblingsbands »AC/DC« und »Judas Priest« schallte durch die Heidelberger Altstadt. Dass der 15-Jährige irgendwann einmal vor 28.000 Menschen auftreten würde, ahnte damals niemand. Eines seiner ersten öffentlichen Konzerte – bei einem Fest im Kunsthistorischen Seminar der Universität – endete gar mit einem Polizeieinsatz. Wenn der Lärm nicht sofort aufhöre, würden die Instrumente beschlagnahmt, drohten die Ordnungshüter.
»Ich bin recht spät zur Musik gekommen«, erzählt der gelernte Elektrotechniker, »und habe mir alles selbst beigebracht.« Notenlesen könne er zwar gerade so, am Schlagzeug aber spiele er grundsätzlich frei. Trotzdem sitzt jeder Ton – dafür sorgen ausgiebige Proben, denn »perfekt muss es sein«. Auf der Bühne steht dann der Spaß im Vordergrund und Martin Jug vergisst alles um sich herum. Fotos von Auftritten zeigen ihn mit wild fliegenden Haaren und verzerrten Gesichtszügen. Der Schlagzeuger muss lachen, wenn er diese Bilder sieht: »Ich merke überhaupt nicht, dass ich solche Grimassen ziehe. Ich bin da wie in einem Film.«
Spätestens nach einer halben Minute auf der Bühne geht bei uns die Post ab – und ich haue rein, dass es ein Sauerstoffzelt braucht.
Martin Jug
Mit 21 Jahren konnte sich Martin Jug endlich das erste eigene Schlagzeug kaufen, bis dahin hatte er auf geliehenen Instrumenten gespielt. Zu dieser Zeit war er Mitglied der Band »Live Wire«, mit der er an den Wochenenden durch halb Deutschland tourte, um in deutschamerikanischen Clubs aufzutreten. Damals noch mit einer ordentlichen Portion Lampenfieber vor jedem Auftritt – mal vor einem Publikum, das man an einer Hand abzählen konnte, mal vor 600 Leuten. »Völlig egal: Das Spielen hat Laune gemacht – so oder so.«
Und das ist bis heute der Fall. In drei Bands ist der 53-Jährige Mitglied, darunter auch bei den »Dirty Deeds«. Die »AC/DC«Coverband entstand im Jahr 2000 aus einer nostalgischen Laune heraus: Zum Todestag des früheren »AC/DC«Sängers Bon Scott taten sich einige befreundete Musiker zusammen, um ein Privatkonzert mit Liedern der Band zu geben. Unter den Zuhörern war ein Mitarbeiter des Heidelberger Nachtclubs »Cave 54«, der sie prompt für einen Auftritt buchte. Ein Engagement ergab das nächste, die Fanzahlen stiegen, und heute stehen die »Dirty Deeds« für gut 30 Konzerte pro Jahr auf der Bühne, darunter auch bei großen Festivals mit mehreren Zehntausend Zuschauern. Martin Jugs Lampenfieber gehört längst der Vergangenheit an, der Spaß aber ist so groß wie eh und je: »Spätestens nach einer halben Minute auf der Bühne geht bei uns die Post ab – und ich haue rein, dass es ein Sauerstoffzelt braucht.«
Mit seiner Band hat der Schlagzeuger schon einiges erlebt. Die fünf Mitglieder der »Dirty Deeds« kennen sich seit ihrer Jugend und sind gute Freunde. Zu den Kuriositäten ihrer Bandgeschichte gehört ein Gastauftritt in der Fernsehsendung »Shopping Queen«. Ein anderes Mal erwehrten sich die fünf mit Bauernschläue einem Konzertverbot durch die Heidelberger Stadtverwaltung. Diese hatte ihnen die Auftrittsgenehmigung für den Standort Untere Straße beim Stadtfest »Heidelberger Herbst« entzogen, nachdem die Band hier elf Jahre in Folge für die »Sonderbar« aufgetreten war. Kurzerhand spielten die »Dirty Deeds« bei weit geöffneten Fenstern aus einer Wohnung direkt über der »Sonderbar« und übertrugen das Konzert per LiveBeamer auf die gegenüberliegende Hauswand.
Unvergesslich für Martin Jug ist ein Konzert, das die Band im Jahr 2005 vor NATO-Soldaten in Afghanistan gab – zur »Truppenbetreuung«. Mit einem Airbus wurden die »Dirty Deeds« über Usbekistan nach Kabul geflogen, um im Camp »Warehouse« aufzutreten, einer Militärbasis mit zu dieser Zeit mehreren Tausend Soldaten aus 23 Nationen. »Das war ein absolut surreales Erlebnis«, erzählt der Techniker, der den Militärdienst verweigert hätte, wäre er aufgrund eines schweren Autounfalls nicht ohnehin ausgemustert worden. Das erste Mal in seinem Leben wurde er in Tarnanzug und Schutzweste gesteckt – für den Fall eines Anschlags auf das Camp. Und tatsächlich war die Sicherheitslage in den Tagen nach ihrem Auftritt derart kritisch, dass die fünf Bandmitglieder die Militärbasis nicht verlassen durften. Von Kabul selbst sahen sie kaum etwas.
Für eine überraschende Episode sorgte das Konzert auch bei der Arbeit. Auf dem Gang im Sprachlehrzentrum kam ein Mann auf ihn zu mit den Worten: »Sie müssen Martin Jug sein, der Schlagzeuger!« Es stellte sich heraus, dass es sich um Professor Peter Paul Schnierer handelte, der gerade Leiter des Zentralen Sprachlabors geworden war und damit als Martin Jugs höchster Vorgesetzter dessen Antrag auf Sonderurlaub für das Konzert in Kabul genehmigt hatte. »Schön, wenn sich der Chef so nett bei dir vorstellt«, freut sich Jug noch heute.
Dieser Artikel ist im UNISPIEGEL 2/2019 (Seite 8) erschienen.
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