Ideengeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft?
Alte und neue Zugänge zur literatur- und kulturwissenschaftlichen Ideenhistoriographie
Workshop am Germanistischen Seminar, 2./3. Dezember 2022.
Gefördert von der Gradiertenakademie der Universität Heidelberg.
Organisation: Kai Gräf, Tillmann Heise
Tagungsbericht (Zeitschrift für Germanistik 33/3)
Ideengeschichtliches Arbeiten galt in den deutschen Geisteswissenschaften lange als überholt. Seit einigen Jahren scheint sich das zu ändern. Das Interesse an der Bedeutung philosophischer, literarischer oder politischer Ideen für die Erforschung historischer Wirklichkeit ist fachübergreifend wieder erstarkt – auch wenn entsprechende Ansätze, in berechtigter Distanznahme zur traditionellen Ideengeschichtsschreibung, häufig unter alternativen Labels auftreten: als „neue Ideengeschichte“, „intellectual history“, „Problemgeschichte“ oder unter dem Dach der scheinbar allumfassenden „Diskurs-“ oder „Wissensgeschichte“. Inzwischen wird indes auch die hergebrachte Bezeichnung wieder selbstbewusster verwendet. Seit 2007 erscheint mit der Zeitschrift für Ideengeschichte ein einschlägiges Fachjournal, mit den von Martin Mulsow und Andreas Mahler herausgegebenen „Texten zur Theorie der Ideengeschichte“ (Stuttgart 2014) liegt eine leicht zugängliche Sammlung kanonischer Theoriebeiträge aus unterschiedlichen Disziplinen vor, und zuletzt haben Maximilian Benz und Gideon Stiening in ihrem Band „Nach der Kulturgeschichte“ (Berlin/Boston 2022) speziell der Literaturwissenschaft eine Rückbesinnung auf ideengeschichtliche Zugriffe anempfohlen.
Welche Konsequenzen hat diese Wiederbelebung der Ideengeschichte für die Literatur-, Geschichts- und Kulturwissenschaften? Dieser Frage widmet sich ein zweitägiger Workshop am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg und macht es sich zum Ziel,
- den Stand der ideengeschichtlichen Theorie- und Methodendiskussion zu bestimmen,
- eine fächerübergreifende Bestandsaufnahme laufender Forschungsprojekte mit ideengeschichtlichem Interesse vorzunehmen,
- einen Dialog zwischen unterschiedlichen Ansätzen ideengeschichtlicher Theoretisierung anzuregen und
- schließlich – da die Ideengeschichte in der deutschen Wissenschaftslandschaft keinen disziplinären Ort kennt – einen interdisziplinären Zusammenhang ideengeschichtlichen Arbeitens zu stiften.