Das Buch vom Tempel und verwandte Texte

Beim Buch vom Tempel handelt es sich um ein Handbuch über den idealen ägyptischen Tempel und seinen Betrieb. Es deckt sowohl die architektonische Anlage des Tempels als auch die Dienstpflichten aller Priester und sonstiger Tempelbediensteter ab.

Am Anfang steht eine historische, aller Wahrscheinlichkeit nach pseudepigraphische Einleitung, in welcher das Werk auf ein Dekret des Königs Neferkasokar (2. Dynastie) zurückgeführt wird, das dieser im Anschluß an eine siebenjährige Hungersnot erlassen haben soll. Dieses Dekret soll vom Prinzen Hardjedef im Tempel von Heliopolis aufgefunden und für die Bibliothek des Cheops neu kopiert worden sein.

Die Beschreibung des Baus geht von innen (Sanktuar) nach außen vor und umfaßt auch Werkstätten, Viehhürden und sonstige wirtschaftliche Funktionsbereiche. Als Anhang zu ihr gibt es eine Liste von Gottheiten, die in bestimmten Räumen des Tempels anwesend sein sollen.

Die Sektion über Priester beginnt mit einem Abschnitt über Priester im Allgemeinen, Eide, die sie bei der Einführung schwören müssen, sowie Regelungen für die Versorgung (einschließlich der eventueller Witwen und Waisen). Anschließend werden die einzelnen Dienstränge mit Angabe der Personalstärke und genauer Auflistung der Dienstpflichten abgehandelt, und zwar hierarchisch absteigend vom Gouverneur und Prophetenvorsteher bis zu einfachen Arbeitern.

Der Basistext dieser Komposition ist in klassisch-ägyptischer Sprache abgefaßt und in hieratischen Handschriften überliefert. Daneben gibt es aber auch etliche Textzeugen einer Übersetzung in das Demotische, also eine jüngere ägyptische Sprachstufe. Aus Oxyrhynchus sind sogar zwei zusammengehörige Fragmente einer griechischen Übersetzung bekannt. Derzeit sind etwa 50 verschiedene Handschriften bekannt, die sich in den Sammlungen von Aberdeen, Ann Arbor, Berlin, Florenz, Gießen, Heidelberg, Kairo, Kopenhagen, London, Manchester, New Haven, Oslo, Oxford, Paris, Strasbourg, St. Louis und Wien befinden. Gesicherte Fundorte sind Tebtynis, Soknopaiou Nesos, Oxyrhynchos und Elephantine. Alle gesichert zugehörigen Textzeugen datieren in die Römerzeit, eine möglicherweise zugehörige in Berlin dürfte allerdings in die 26. Dynastie datieren.

 

Eine Reihe von Texten weist inhaltliche engere Beziehungen auf und soll deshalb gemeinsam mit dem Buch vom Tempel ediert werden. Dies sind folgende Kompositionen:

Eine Inschrift im Goldhaus von Dendara (Dendera VIII 128, 15f.; 131, 1-6 ) zeigt phraseologisch so enge Bezüge zu den Dienstanweisungen im Buch vom Tempel, daß es sich entweder um einen in den Papyri bislang nicht erhaltenen Teil dieser Komposition selbst oder ein eng verwandtes Werk handelt.

Ein römerzeitliches hieratisches Fragment aus Deir el-Bahri (heute BM 10565) ähnelt inhaltlich sehr der historischen Einleitung des Buches vom Tempel, zeigt jedoch Imhotep als Protagonisten.

In vier hieratischen Handschriften der Ptolemäer- und Römerzeit ist eine Sammlung von Königsdekreten belegt, die mit dem Tempelbau zu tun haben und behaupten, auf Herrscher des Alten Reiches zurückzugehen; als Namen belegt sind Djoser, Cheops und wahrscheinlich Neferkasokar, zudem wird Imhotep erwähnt.

Eine römerzeitliche hieratische Handschrift (pCarlsberg 672) enthält Tempelregelungen und -gesetze. Möglicherweise stellt ein auf dem Verso der griechischen Übersetzung des Buches vom Tempel überlieferter Text die griechische Übersetzung eben dieser Regelungen dar.

Ein kleines demotisches Fragment der Römerzeit (Wien D 6330) enthält geringe Reste von Regelungen über den Tempelbetrieb.

In einer karbonisierten Handschrift aus Tanis ist ein Handbuch über die ideale Tempeldekoration erhalten, wobei sowohl eine verbalisierte Beschreibung als auch Musterzeichnungen verwendet werden. Der Text ist hieroglyphisch geschrieben, sprachlich aber weitgehend demotisch.

 

Wichtigere Vorberichte:

J.F. Quack, Das Buch vom Tempel und verwandte Texte. Ein Vorbericht, ARG 2 (2000), 1-20.

J.F. Quack, Die Dienstanweisung des Oberlehrers im Buch vom Tempel, in: H. Beinlich, J. Hallof, H. Hussy, Chr. von Pfeil (Hrsg.), 5. Ägyptologische Tempeltagung Würzburg, 23.-26. September 1999, ÄAT 33/3 (Wiesbaden 2002), 159-171.

J.F. Quack, Le manuel du temple. Une nouvelle source sur la vie des prêtres égyptiens, Égypte Afrique & Orient 29 (2003), 11-18.

J.F. Quack, Die Rolle des heiligen Tieres nach dem Buch vom Tempel, in: M. Fitzenreiter (Hrsg.), Tierkulte im pharaonischen Ägypten und im Kulturvergleich, IBAES IV (Berlin 2003), 111-123; http://www2.rz.hu-berlin.de/nilus/net-publications/ibaes4.

J.F. Quack, Organiser le culte idéal. Le Manuel du temple égyptien, BSFÉ 160 (2004), 9-25.

J.F. Quack, Ämtererblichkeit und Abstammungsvorschriften bei Priestern nach dem Buch vom Tempel, in: M. Fitzenreiter (Hrsg.), Genealogie – Realität und Fiktion von Identität, IBAES V (London 2005), 97-102.

J.F. Quack, Die Überlieferungsstruktur des Buches vom Tempel, in: S. Lippert, M. Schentuleit (Hrsg.), Tebtynis und Soknopaiou Nesos. Leben im römerzeitlichen Fajum (Wiesbaden 2005), 105-115.

J.F. Quack, Tabuisierte und ausgegrenzte Kranke nach dem „Buch vom Tempel“, in: H.-W. Fischer-Elfert (Hrsg.), Papyrus Ebers und die antike Heilkunde. Akten der Tagung vom 15.-16. 3. 2002 in der Albertina/UB der Universität Leipzig, Philippika 7 (Wiesbaden 2005), 63-80.

J.F. Quack, Die Götterliste des Buches vom Tempel und die gauübergreifenden Dekorationsprogramme, in: B. Haring, A. Klug (Hrsg.), 6. Ägyptologische Tempeltagung. Funktion und Gebrauch altägyptischer Tempelräume, Leiden 4.-7. September 2002 (Wiesbaden 2007), 213-235.

J.F. Quack, Die Theologisierung der bürokratischen Norm. Zur Baubeschreibung in Edfu im Vergleich zum Buch vom Tempel, in: R. Preys (Ed.), 7. Ägyptologische Tempeltagung: Structuring Religion. Leuven, 28. September – 1. Oktober 2005, KSG 3,2 (Wiesbaden 2009), 221-229.

J.F. Quack, Les normes pour Osiris et son culte. Les indications du Manuel du Temple sur les lieux et les prêtres, in: L. Coulon (Ed.), Les cultes d’Osiris au 1er millénaire. Découvertes et travaux récents. Actes de la table ronde internationale tenue à Lyon, Maison de l’Orient et de la Méditerranée (Université Lumière-Lyon 2) les 5 et 9 Juillet, 2005, BdÉ 153 (Kairo 2010), 23-30.

J.F. Quack, Vom Dekret des Neferkasokar zum Dialog des Imhotep. Ägyptische Textquellen zum idealen Tempel, Sokar 27 (2013), 65-81.

J.F. Quack, Die theoretische Normierung der Soubassement-Dekoration. Erste Ergebnisse der Arbeit an der karbonisierten Handschrift von Tanis, in: A. Rickert, B. Ventker (Hgg.), Altägyptische Enzyklopädien. Die Soubassements in den Tempeln der griechisch-römischen Zeit. Soubassementstudien 1, SSR 7 (Wiesbaden 2014), 17-27, Farbtafel I-VI.

J.F. Quack, Translating the realities of cult: The case of the Book of the Temple, in: I. Rutherford (Ed.), Aegypto-graeca. Literary Interactions between Greece and Egypt, in Druck.

Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 23.05.2018
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