Sommersemester 2025
Alle Veranstaltungen der Lateinischen Philologie des Mittelalters und der Neuzeit finden im Paläographieraum 027 (Grabengasse 3-5) statt. Ausgenommen sind das Hauptseminar zu den Facsimilia, das im Übungsraum 001 des Kunsthistorischen Instituts stattfindet, und der Sommerkurs Paläographie, für den Übungsraum 1 des Historischen Seminars vorgesehen ist.
Oberseminar
Kirchenväterkolloquium: Rupert von Deutz (†1129), De gloria et honore filii hominis (Buch X)
2st., Do 18.00-19.30 Beginn: 24.IV. Prof. Licht et al.
Rupert, in Lüttich ausgebildet, später Mönch in Siegburg und ab 1121 Abt von St. Heribert in Deutz hat in zwei Jahrzehnten ein theologisches Gesamtwerk geschaffen, dessen "Dimensionen seit der Väterzeit ohne Beispiel waren". Seinen Matthäuskommentar De gloria et honore filii hominis teilte er analog zu den Evangelistensymbolen homo, vitulus, leo, aquila in Fleischwerdung, Passion, Auferstehung und Himmelfahrt. Den Teil zur Passion hat er nach langer Unterbrechung verfaßt und mit einem neuen Widmungsprolog an Kuno versehen, der 1126 vom Abt von Siegburg zum Bischof von Regensburg aufgestiegen war. Eine drängende Frage war für Rupert, ob Judas am Abendmahl teilgenommen hat; er widmete ihr den Großteil des X. Buches. Mit suggestiver Sprache und einem Verfahren, das er als recapitulatio beschreibt, gelingt ihm gegen die Position des Augustinus eine Neubeantwortung. Vertreter historischer, philologischer und theologischer Disziplinen lesen und interpretieren gemeinsam das X. Buch. Interessierte aller Fächer sind herzlich zur Teilnahme eingeladen. Textgrundlage: Ruperti Tuitiensis De gloria et honore filii hominis super Mattheum, ed. H. Haacke, Turnhout 1979.
Haupt-/Oberseminar (auch grundwissenschaftlich)
Facsimilia des Instituts für Europäische Kunstgeschichte. Seminar zur Vorbereitung einer Ausstellung
4st./ 14tägig, Do. 14-17 s.t. Beginn: 24.IV. Proff.Müller/Licht
Als Facsimilia werden Schriftzeugnisse bezeichnet, die andere Schriftzeugnisse in niedriger Auflage als Drucke nachbilden. Ihre Produktion ist aufwendig, etwa wenn Handschriftenseiten mit Goldauflagen und Altersspuren wiedergegeben und die kostbaren Einbände reproduziert werden. Die Bewertung dieser Gattung ist ambivalent, denn es wird nur die Illusion eines 'Originals' geboten, bei der die Materialien (Pergament, Elfenbein) oft imitiert oder Einbände anderer Handschriften nachgebildet werden. Aber sie bieten Vorteile: Über mehrere Bibliotheken verteilte Handschriften wie das "Lorscher Evangeliar" sind in der Reproduktion in einem Band vereint. Anders als Digitalisate machen die Facsimilia Größe und Ausstattung der Schriftzeugnisse erfahrbar. Das Institut für Europäische Kunstgeschichte verfügt aufgrund zweier Schenkungen über einen Bestand von über 70 Facsimilia von Prachthandschriften des 6. bis 16. Jahrhunderts. Einige sollen 2026 in einer Ausstellung im Universitätsmuseum gezeigt und durch Präsentation, Katalog und Führungen vermittelt werden. Die Ausstellung wird interdisziplinär in den Fächern Mittellatein/Historische Grundwissenschaften/Cultural Heritage und Kunstgeschichte organisiert (Interessierte aus dem Studiengang Cultural Heritage nehmen bitte vorab Kontakt mit tino.licht@urz.uni-heidelberg.de auf). Die Vorbereitung, Planung und Durchführung wird primär durch die Studierenden erfolgen, denen damit die Möglichkeit geboten wird, die wissenschaftliche Arbeit mit Herausforderungen und Erfahrungen rund um die Ausstellungspraxis zu verbinden. Zur Kontaktaufnahme: Th.Hilka, Zur Terminologie und Geschichte der Faksimilierung, in: Bibliothek. Forschung und Praxis 9/3 (1985), p.290-299.
Haupt-/Oberseminar
Hrotsvit von Gandersheim († nach 968), Opera
2st., Di. 9.15-10.45 Beginn: 15.IV. Prof.Licht
Hrotsvit von Gandersheim gilt als Referenzautorin der Ottonischen Renaissance, erste deutsche Dichterin und Ikone der Frauenliteratur des Mittelalters. Im Seminar soll ihr Gesamtwerk einer umfassenden philologischen Aufnahme und Prüfung unterzogen werden. Es werden die Überlieferungsträger ihrer Werke und deren Erforschung besprochen. Ihre Literatur wird in die Geschichte der Genera im Mittelalter eingeordnet. Die Sprache ihrer Dichtung und Prosa soll nach zeittypischen Erscheinungen untersucht, vor allem in der Dichtung kritisch nach metrischen Abweichungen und sprachlichen Eigenheiten bewertet werden. Außerdem widmen wir uns ihren Vorlagen (Apokyphen, Vitas patrum) und Vorbildautoren (Terenz, Prudentius, Boethius etc.). Hrotsvits Rezeption vor dem Humanismus gilt als unerheblich; hier sollen neuere Forschungen zur Wirkung im süddeutschen Raum und in England geprüft, gesichert und erweitert werden. Ausgabe: Hrotsvit, Opera omnia, ed.W.Berschin, München/Leipzig 2001. Zur Kontaktaufnahme: B.Nagel, Hrotsvit von Gandersheim, Stuttgart 1965.
Hauptseminar/Lektüre
Neulatein: Texte zum deutschen Bauernkrieg
2st., Di 14.15-15.45 Beginn: 15.IV. Prof.Wiegand
Der deutsche Bauernkrieg jährt sich 2024/25 zum 500. Mal. Fraglos ist er eines der wichtigsten politischen Ereignisse der Frühen Neuzeit. In der Veranstaltung wird es darum gehen, seinen Reflex in der lateinischen, humanistisch geprägten Literatur in verschiedenen, vornehmlich poetischen Textsorten zu untersuchen, wobei die Vorgeschichte (Bundschuh in Lehen bei Freiburg, bukolische Dichtung des Euricius Cordus) mit einbezogen werden soll. Bekannte (Eobanus Hessus, Joachim Camerarius) und weniger bekannte Autoren (Johannes Atrocianus, Hermann Schottenius) haben sich mit dem Bauernkrieg auseinandergesetzt. Neben Elegien und epischen Darstellungen gibt es sogar ein neulateinisches Bauernkriegsdrama. Zu prüfen wird sein, wie die Autoren die Anliegen und das Vorgehen der Bauern beurteilen – etwa im Vergleich zur Haltung der Reformatoren (Luther, Melanchthon) - und welchen Einfluß die gewählte Form (Bukolik, Elegie, Epos, Drama) auf die Darstellung hat.
Proseminar/Lektüre
Einhart (†840), Vita Karoli
2st., Mo 11.15-12.45 Beginn: 14.IV. Büge M.A.
Einharts († 840) Vita Karoli ist das vielleicht wichtigste literarische Denkmal der Karolingerzeit, Mahnung zur Bewahrung von Karls Erbe, Demonstration der Bildung des Autors, Zeugnis der Gelehrtenkultur des IX. Jahrhunderts und vielleicht der bekannteste Text des lateinischen Mittelalters. Bereits die Zeitgenossen hat es fasziniert, daß ein homo barbarus die lateinische Vatersprache zu solcher Eleganz heben und seinem Förderer ein solches Denkmal setzen konnte. Die Vita Karoli wird mit flankierenden Texten im Plenum studiert werden, wobei Überlieferung, Stil, biographische Tradition und Literaturgeschichte des IX. Jahrhunderts zur Sprache kommen. Ausgabe: Einhardi Vita Karoli Magni, rec.G.Waitz, Hannover/Leipzig 1911 (MGH SS rer. Germ. 25); zur Einführung: W.Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter III, Stuttgart ²2020, p.199-220.
Tutorium zum Proseminar
2st., Mi 14.15-15.45 Beginn: 23.IV. Oesterling
Lektüre
Erstlektüre für Historiker: Salimbene de Adam († nach 1288), Cronica
2st., Mo 16.15-17.45 Beginn: 14.IV. Dr.Otero Pereira
Salimbene de Adam entstammte einer Bürgerfamilie Parmas mit Beziehungen zu Kaiser Friedrich II. und Papst Innozenz IV. Er trat 1238 in den Franziskanerorden ein und lebte nach seinem Noviziat 1239 bis 1247 in verschiedenen Klöstern in der Toskana. In dieser Zeit kam er mit den Prophezeiungen Joachims von Fiore in Berührung, die einen großen Einfluß auf ihn ausübten. Salimbenes Chronik ist in einem einzigen Manuskript überliefert, das am Anfang und am Ende verstümmelt ist und die Jahre von 1167 bis 1287 umfaßt. Obwohl er zahlreiche Quellen einbaut, fließen in die Darstellung ab 1222 persönliche Erfahrungen ein. Die Chronik offenbart einen vielseitig interessierten, bibelkundigen und volksnahen Autor. Sie verbindet historische Nachrichten mit autobiographischen Eindrücken, ist ein wertvolles Zeugnis der Geschichte der Franziskaner und Friedrichs II. und offenbart Details über das Alltagsleben der Zeit. Der Lektürekurs wendet sich an Anfänger mit wenig Lektüreerfahrung. Der Text wird im Plenum gelesen und übersetzt. Textgrundlage: Salimbene di Adam, Cronica, ed. G.Scalia, 2 Bde., Bari 1966.
Übung (auch grundwissenschaftlich)
Paläographie II: «Nationalschriften» des frühen Mittelalters und karolingische Minuskel (für Anfänger)
2st., Mi 9.15-10.45 Beginn: 16.IV. Prof.Licht
Einführung in das Lesen, Beschreiben und Bestimmen der wichtigsten Schriften des Frühmittelalters. Neu hinzukommende Teilnehmer werden gebeten, bis zum Beginn der Übung F.Steffens, Lateinische Paläographie, Berlin-Leipzig ²1929, tab.12, 15, 17, 19, 20 und 24 nachzuarbeiten.
Übung/Hauptseminar (auch grundwissenschaftlich)
Paläographie IV: «Gotische» und «Humanistische» Schriftarten
2st., Mi 11.15-12.45 Beginn: 16.IV. Prof.Licht
Einführung in das Lesen, Beschreiben und Bestimmen lateinischer Schrift vom XII. bis zum XV. Jahrhundert mit einem Ausblick auf die moderne Schriftentwicklung. Interessenten ohne Vorkenntnisse möchten bitte kurz per Email (tino.licht@urz.uni-heidelberg.de) Kontakt aufnehmen.
Blockveranstaltung (auch grundwissenschaftlich)
Sommerkurs Paläographie: Lateinische Schrift
Mo-Fr 9.15-17.45 1.-12.IX. Prof.Licht et al.
Gegenstand des Kurses ist die lateinische Schrift (vom Anfang bis ins XX. Jahrhundert) und die Vermittlung ihrer Grundlagen. Fragen zur Schriftgeschichte werden mit traditionellen und modernen Ansätzen diskutiert. Die Teilnehmer erwerben Datierungs- und Lokalisierungssicherheit und eine Lesekompetenz, die zwei Jahrtausende Schriftlichkeit umfaßt. Hauptorganisationsform ist die Übung: Einzelne Schrifttafeln werden gemeinsam gelesen, Ergebnisse im Plenum gesichert und methodische Ansätze samt Forschungsliteratur besprochen.