Marsilius von Inghen
Gründungsrektor der Universität Heidelberg
Marsilius von Ingen war Lehrer der Artes Liberales in Paris und wurde später von Pfalzgraf Ruprecht I. zum ersten Rektor der Universität Heidelberg berufen.
Lebensspuren
Die Hohe Schule zu Heidelberg. Der Holzschnitt könnte die Marienkapelle vorstellen mit knapp 50 Zuhörern eines Kollegs oder einer Ansprache.
Literarisches und wissenschaftliches Schreiben
Marsilius beschäftigte sich zeit seines Lebens mit Logik und Naturphilosophie. Er kommentierte die Aristotelische Logik und die Summulae logicales, das Handbuch des Spätmittelalters des Petrus Hispanus. Sein populärstes Werk, das in zahlreichen Handschriften überliefert ist, bleibt jedoch der Kommentar zur aristotelischen Schrift De generatione et corruptione, die von Leonardo da Vinci und auch Galileo Galilei rezipiert wurde. In seinen Werken zeigt sich Marsilius als Vertreter des Nominalismus, später via moderna, die nach seinem Tod auch als via Marsiliana bezeichnet und richtungweisend für die Universität Heidelberg wird.
Die Methoden der Realisten und Nominalisten
Realisten blieben sehr nah am Originaltext, den sie in Wort für Wort Glossen kommentierten. Nominalisten wie Marsilius strebten danach, den Sachverhalt der Texte selbstständig in Quaestiones zu formulieren und zu diskutieren, was der heutigen wissenschaftlichen Methode näher steht.
Lehrszene. Holzschnitt aus Sebastian Münsters Cosmographia, Basel, 1552, p. 614.
Die Bibliothek
Die Privatbibliothek des Marsilius, die als eine der bedeutesten ihrer Zeit gilt, umfasste ca. 237 Buchtitel, wovon heute noch ein Teil in 29 Codices erhalten ist. Sie bilden einen den Grundstock der heutigen Universitätsbibliothek, denn Marsilius hat seine Bücher teils noch zu Lebzeiten dahin gegeben. Heute finden sich diese Handschriften in der Biblioteca Apostolica Vaticana.
Katalog der Handschriften des Marsilius von Inghen in der Vatikanischen Bibliothek:
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1 |
Pal. lat. 94 |
Paulusbriefe mit der Glossa ordinaria |
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Pal. lat. 142 |
Sammelhandschrift: Geraldus Odonis, Marsilius von Inghen, Arnaldus von Vonneval, Nicolaus de Lyra |
3 |
Pal. lat. 256 |
Gregor der Große, Homiliae in evangelia de tempore |
4 |
Pal. lat. 306 |
Bernhard von Clairvaux, u.a. (siehe Abbildung) |
5 |
Pal. lat. 313 |
Richard von St. Victor, Werke |
6 |
Pal. lat. 380 |
Heinrich von Langenstein, Quaestiones |
7 |
Pal. lat. 453 |
Konrad von Brundelsheim, Sermones de tempore et de sanctis |
8 |
Pal. lat. 566 |
Sammelhandschrift, u.a. Gregor von Nazians, Liber apologeticus; Marsilius von Inghen, Glosse über die sieben Arten der Furcht (...) |
9 |
Pal. lat. 945 |
Guido de Columna, Historia destructionis Troiae |
10 |
Pal. lat. 953 |
Zusammengesetzte Handschrift aus drei Teilen: Bernhard Silvestris, Cosmographia; Petrus de Vinea, Epistolae; Wilhelm con Conches, Kommentar zu Marobius |
11 |
Pal. lat. 975 |
Albertus Magnus, Kommentar zur Naturphilosophie des Aristoteles |
12 |
Pal. lat. 995 |
Thomas von Aquin, Kommentar zu den Analytica posteriora des Aristoteles |
13 |
Pal. lat. 1009 |
Aegidius Romanus, Kommentar zu den Analytica posteriora des Aristoteles |
14 |
Pal. lat. 1017 |
Aristoteles, Ethica ad Nicomachum (Übersetzung Roberts Grosseteste) |
15 |
Pal. lat. 1019 |
Johannes Buridan, Quaestiones zur Nikomachischen Ethik |
16 |
Pal. lat. 1022 |
Johannes Bernier, Tabula librorum moralium; Richard Fitzralph, Sermones contra fratres mendicantes |
17 |
Pal. lat. 1039 |
Aegidius Romanus, Kommentar zur Physik des Aristoteles |
18 |
Pal. lat. 1044 |
Aegidius Romanus, Kommentar zu De generatione et corruptione des Aristoteles |
19 |
Pal. lat. 1045 |
Johannes Buridan, Quaestiones zu De anima des Aristoteles |
20 |
Pal. lat. 1046 |
Sammelhandschrift, u.a. Aegidius Romanus, Thomas von Aquin (...) |
21 |
Pal. lat. 1057 |
Angelo de Camerino, Kommentar zur Topik des Aristoteles |
22 |
Pal. lat. 1061 |
Aristoteles, Metaphysica |
23 |
Pal. lat. 1088 |
Galen, Ad Glauconem de medendi methodo |
24 |
Pal. lat. 1101 |
Hali ibn Ridwan, Kommentar zur Ars parva Galens |
25 |
Pal. lat. 1184 |
Bernhard von Gordon, Lilium medicinae |
26 |
Pal. lat. 1346 |
Guido von Arezzo, Musica |
27 |
Pal. lat. 1348 |
Euklid, Elemente, Buch I-V |
28 |
Pal. lat. 1363 |
Hygin, Poeticon astronomicon |
29 |
Pal. lat. 1684 |
Lukan, De bello civili |
Dorothea Walz, Marsilius von Inghen als Schreiber und Büchersammler, in: Marsilius von Inghen, Werk und Wirkung; Akten des zweiten Marsilius von Inghen-Kongresses, Lublin 1993, hrsg. v. Stanislaw Wielgus.
Autograph des Marsilius
libri beati bernardi multi "Zahlreiche Bücher des seligen Bernhard [von Clairvaux].
> ad liberiam universitatis per manus An die Universitätsbibliothek, eigenhändig übergeben von
mei marsilii de Inghen Marsilius von Inghen."
(Es folgt eine Aufzählung der Werke Bernhards)
> in hoc volumine continentur libri beati bernhardi scilicet infrascripti
> primo sermones eius super cantica canticorum
Item sermones beati leonis pape per septimanam sanctam
Item libellus arnaldi abbatis bonevallis expositionis "verba domini in cruce"
Item libellus eiusdem argumentum in laudibus dei genitricis
Item expositio ricardi de canone misse
Item bernardus super "missus est"
Item idem de gratia et libero arbitrio
Item liber considerationum ad eugenium
Item quidam liber eius sermonum ad fratres de templo, de nasareth, de betlehem, de monte oliveti,
de iordane, de monte calvarie, sepultus bephage et bethanie
Item liber eiusdem de dispensatione et precepto
Item liber eiusdem de diligendo deum
Item liber apologeticus eiusdem
Item liber eiusdem de gradibus humilitatis
Heidelberger Rektoratssiegel von 1386
Der Rektoratssiegelstempel war von 1386 bis Mitte des 18. Jahrhunderts in Gebrauch und wurde vielfach verwendet. Der Stempel selbst ging verloren, jedoch blieben einige Abdrücke gut erhalten.
Das Siegelbild ist der gekrönte pfälzische Löwe, der in beiden Vorderpranken ein geöffnetes Buch hält. Umfasst wird er von einem tief gestochenen Sechspass. Perlenreihen begleiten die Umschrift in gotischer Minuskel:
s(igillum) rectoratus studii heidelbergensis
(Die Wörter sind durch Rosetten getrennt.)
In den Urkunden wird das Rektoratssiegel sigillum nostri rectoratus, "unser rectoryen insiegel" oder auch im Unterschied zum großen Universitätssiegel sigillum minus genannt.
Das Grab in der Peterskirche
Ursprünglich befand sich das Grab des Marsilius im Chor der Peterskirche vor dem Hauptaltar. Dies belegt die beigefügte Skizze des Grabes, die wohl die Grabplatte selbst darstellt. Melchior Adam sah das Grab noch zu Lebzeiten und druckte die Grabinschrift 1612 ab. Heute ist das Grab verschwunden und der Wortlaut der Quellen weicht voneinander ab.
Nach einer Rekonstruktion von Dorothea Walz könnte die Grabinschrift gelautet haben:
Anno domini MCCCXCVI die sancti Bernhardi XX mensis Augusti obiit venerabilis Marsilii de Inghen,
fundator huius studii et initiator, sacrae theologiae doctor egregius hic primus formatus protunc rector,
cuius anima requiescat in pace.
In der Totenpredigt auf Marsilius hebt Nikolaus Prowin dessen Disziplin hervor und schildert, er habe nie regelmäßig gespeist und und freitags sogar bei Brot und Wasser gefastet:
"Nam regulariter non cenavit, sextis feriis in pane et aqua ieiunavit ..."
(Walz/DÜchting 2008, p. 12)
Neueste Literatur:
Marsilius von Inghen, Gedenkschrift zum 1499 zum einhundertsten Todestag des Gründungsrektors der Universität Heidelberg, Heidelberg, 2008,