Wintersemester 2024/25
Alle Veranstaltungen der Lateinischen Philologie des Mittelalters und der Neuzeit finden im Paläographieraum 027 (Grabengasse 3-5) statt.
Oberseminar
Ovid in Spätantike und Mittelalter
2st., Di 11.15-12.45 Beginn: 15.X. Dr. Bažil
Ovids Werke gehören zu den meistrezipierten Texten in der Geschichte der Literatur. Die Rezeption einzelner Gedichte und Sammlungen setzt unmittelbar nach ihrer Entstehung ein: Die erotica werden im Messalla-Kreis gelesen und nachgeahmt, die Metamorphosen zirkulieren in zahlreichen Abschriften gleich im Jahr ihrer Veröffentlichung. In der Spätantike wird Ovid sowohl von paganen (Ausonius, Claudian, Rutilius Namatianus) als auch von christlichen Dichtern (Dracontius, Bibelepiker) intensiv nachgeahmt. Erst im Mittelalter gehören einige Teile von Ovids Oeuvre zum Kanon der Schullektüre, was einerseits seine Position als Modelldichter stärkt, andererseits eine viel intensivere philologische Rezeption mit sich bringt. Ziel des Seminars ist es, ausgewählte Formen der Ovid-Rezeption näher zu betrachten und nach ihrer Funktionalität in konkreten Texten zu fragen. Das genaue Programm wird am Anfang des Semesters mit allen Teilnehmenden festgelegt.
Hauptseminar/Übung
Neulateinische Utopien
Terminänderung!: 2st., Di 14.15-15.45 Beginn: 15.X. Prof. Wiegand
Die Utopien sind eine innovative Textsorte der lateinischen Literatur der Frühen Neuzeit. Sie haben bis in die neueste Zeit in Darstellung und Gegendarstellung eine große Wirkung ausgeübt. Ausgehend vom 'Gründungstext' der Gattung, Thomas Morus' Utopia (1516) werden in der Übung einige wichtige 'Staatsromane' der Frühen Neuzeit vorgestellt, so Caspar Stiblins Eudaemonensium Republica (1555), Johann Valentin Andreaes Christianopolis (1619) und Campanellas Civitas Solis (1623). Interessieren werden uns vor allem die soziale und politische Organisation dieser 'Idealstaaten', ihre Erziehungsmethoden und -ideale sowie ihre religiöse und geistige Verfassung. Die Texte werden vom Übungsleiter jeweils bereitgestellt.
Lektüre
Texte zur Geschichte Böhmens in der Zeit der Luxemburger
2st., Di 9.15-10.45 Beginn: 15.X. Dr. Bažil
Unter der Regierung der Luxemburger vom Anfang des XIV. bis zum Anfang des XV. Jahrhunderts, besonders unter Kaiser Karl IV. (1316-1378), erlebt das Königreich Böhmen eine kulturelle Blütezeit und wird zum wichtigen kulturellen sowie politischen Zentrum Mitteleuropas. Vor allem Prag wird durch intensive Bautätigkeit und gezielte Gründungen (1344 Kathedrale, 1348 Prager Neustadt und die Karlsuniversität, 1357 Karlsbrücke) zu einer der größten europäischen Metropolen des Spätmittelalters. Im Seminar werden lateinische Quellen zu dieser Periode der böhmischen Geschichte gemeinsam gelesen – vor allem Vita Caroli IV., die mindestens teilweise autobiographische Beschreibung von Karls Jugend (bis zu seiner Wahl zum römisch-deutschen König 1346), ergänzend auch andere Texte wie Chroniken und Legenden (etwa die Wenzelslegende).
Hildegard von Bingen (†1179), Symphonia
2st., Do 9.15-10.45 Beginn: 17.X. Dr. Bažil
In ihrem mehr als siebzig Gedichte umfassenden dichterischen Werk entwickelte Hildegard von Bingen eine hochoriginelle, von der klassischen Tradition weitgehend unabhängige poetische Sprache, voller Klangfiguren und Allusionen an biblische Texte. Da das ganze Corpus in deutscher Übersetzung zur Verfügung steht, wird sich die Arbeit im Lektürekurs auf (oft unübersetzbare) Feinheiten von Hildegards dichterischem Ausdruck konzentrieren. Der Kurs wendet sich also sowohl an Anfänger mit wenig Lektüreerfahrung als auch an fortgeschrittene Interessierte an Formen mittelalterlicher Dichtung. Textgrundlage: Hildegard von Bingen, Symphonia. Gedichte und Gesänge, edd. W.Berschin/H.Schipperges, Darmstadt 1995, repr. 2004.
Erstlektüre für Historiker: Der Pilgerführer nach Santiago
2st., Mo 16.15-17.45 Beginn: 14.X. Dr. Otero Pereira
Der Liber Sancti Jacobi ist eine Zusammenstellung in fünf Büchern von Schriften verschiedener Art, die sich mit Pilgerfahrten nach Santiago de Compostela beschäftigen. Dieses Sammelwerk geht auf das XII. Jahrhundert zurück und beinhaltet zum Kult des Apostels Jakobus verfasste liturgische Stücke, eine Sammlung von Wundern, die dem Apostel zugeschrieben werden, die Legende der Überführung seiner Reliquien nach Galicien und den legendären Feldzug Karls des Großen in Spanien. Eine wichtige Rolle spielt das fünfte Buch, das den Pilgerführer nach Santiago de Compostela enthält. Der Autor dieses Buches beschreibt die verschiedenen Wege nach Santiago de Compostela, teilt den gesamten Verlauf in Etappen, nennt die zu überquerenden Flüsse, zählt Städte und Herbergen auf, erwähnt die Kirchen, die die Pilger besuchen sollten, schildert den Charakter der Völker, die am Jakobsweg leben, und warnt vor möglichen Gefahren. Ein Teil des Buches beschreibt ausführlich Santiago de Compostela und sein Münster, die Organisation des Klerus und schreibt vor, wie die Pilger aufgenommen werden sollen. Der Kurs wendet sich an Anfänger mit wenig Lektüreerfahrung. Der Text wird im Plenum gelesen und übersetzt. Textgrundlage: Liber Sancti Jacobi. Codex Calixtinus, edd. K.Herbers / M.Santos Noya, Santiago de Compostela 1998.
Übung
Texte des mittellateinischen und zweisprachigen Theaters (auch sprachgeschichtlich)
2st., Mo 11.15-12.45 Beginn: 14.X. Dr. Bažil
Das mittelalterliche Theater knüpft nicht direkt an (spät)antike Theaterformen an, sondern entwickelt sich als eine Neuschöpfung vor allem aus der Liturgie. Die ältesten Quellen, die einen mimetischen liturgischen Dialog mit getrennten Rollen (Quem queritis) enthalten, stammen aus dem X. Jahrhundert (St. Martial, St. Gallen, Regularis concordia), die Wurzeln reichen jedoch ins langobardische Italien des VIII. Jahrhunderts. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte entwickelte sich ein reiches Spektrum an (liturgischen, para- und außerliturgischen) dramatischen Gattungen, die viele formale sowie inhaltliche Elemente von diesen liturgischen Urformen übernehmen, andere ganz neu einführen – unter anderem auch die Vernakularsprache. In der Übung werden lateinische, in der zweiten Semesterhälfte auch zweisprachige (deutsch-, eventuell französisch-lateinische) Dramentexte im Plenum gelesen, übersetzt und besprochen, wobei besondere Aufmerksamkeit den Formen der Zweisprachigkeit gelten wird. Eingeladen sind daher auch Studierende anderer philologischer Fächer, besonders Germanistik und Romanistik. Textgrundlage: Lateinische Osterfeiern und Osterspiele, ed. W.Lipphardt (et al.), I-IX, Berlin / New York 1975-1990.
Einführung in die Metrik und Rhythmik: Spätantike Dichtung
2st., Do 11.15-12.45 Beginn: 17.X. Dr. Bažil
Unter den spätrömischen Dichtern sind Ausonius und Prudentius diejenigen, welche die aus der griechischen Tradition geerbten lyrischen Versmaße am originellsten anbringen und handhaben können. In der Übung werden ausgewählte Passagen vor allem aus Ausonius’ Ephemeris und Prudentius’ Cathemerinon gelesen, metrisch analysiert und nach der semantischen Funktion des Versmaßes befragt. Ergänzend werden auch andere verstechnisch relevante Textproben aus der römischen Spätantike besprochen. Vorkenntnisse der (lateinischen) quantitativen Verslehre sind willkommen, aber nicht dringend notwendig – wir fangen mit einer Einführung in die prosodischen Systeme und in die Metrik an. Textgrundlage zu Ausonius: Decimus Magnus Ausonius, Sämtliche Werke, ed. P.Dräger, I-III, Trier 2012-2015. Textgrundlage zu Prudentius: Aurelii Prudentii Clementis carmina, ed. M.P.Cunningham, Turnhout 1966.
TEI und tironische Noten - Digitale Methoden in der mittelalterlichen Handschriftenerschließung und Edition
vom 8.-22.XI. in Übungsraum IV des Historischen Seminars - Blockveranstaltung Fr., 13.15-16.45 (8.XI.-13.XII.2024) Meyer M.A.
Diese Veranstaltung wird sich mit verschiedenen digitalen Methoden befassen, die in der Erschließung und Edition mittelalterlicher Handschriften zum Einsatz kommen. Nach einem Überblick über verschiedene Plattformen und Projekte zur (digitalen) Arbeit mit Handschriften, soll es konkret um die paläographische Arbeit im digitalen Raum und die verschiedenen Techniken, die dabei nützlich sind (wie multispectral imaging, HTR [Handwritten Text Recognition], IIIF [International Image Interoperability Framework] etc.), gehen.
Ein Schwerpunkt dieser Übung liegt auf der digitalen Edition mit TEI/XML. Am Beispiel des Vergilius Turonensis, einer Handschrift aus dem IX. Jahrhundert, die heute in Bern liegt (Burgerbibliothek, Cod. 165), werden wir uns die Möglichkeiten des digitalen Edierens anschauen. Dabei werden die Grundlagen der TEI (Text Encoding Initiative) erlernt. Ein besonderes Augenmerk der Edition liegt auf den Glossen, die in karolingischer Minuskel stehen und eine Besonderheit aufweisen: Sie bestehen aus einer Mischung aus Alphabetschrift und stenographischen Zeichen, den tironischen Noten.