Arbeitsbereiche

Am Institut für Sinologie sind sechs Professoren und Professorinnen (zwei davon hauptamtlich am HCTS, dem Heidelberger Centrum für Transkulturelle Studien) mit ihren Teams in sehr unterschiedlichen Arbeitsbereichen tätig. Sie erforschen China von seinen Anfängen bis in die Gegenwart, interessieren sich für China in seinen weltweiten Bezügen und bearbeiten ihre Themen je nach Forschungsschwerpunkt aus kulturwissenschaftlicher, sprach- und literaturwissenschaftlicher, historischer oder sozialwissenschaftlicher Perspektive.

Buddhistische Studien

Prof. Dr. Michael Radich |  

Einen treffenderen Nachweis dafür, dass die Mär eines zeitlos-einheitlichen China unzutreffend ist, als die Rolle des Buddhismus für die Kulturentwicklung Chinas gibt es nicht! Michael Radich konzentriert sich in Lehre und Forschung auf die transkulturellen Prozesse, durch die die vielfältigen Strömungen des Buddhismus und die genauso vielgestaltigen Kulturen Chinas in wechselseitiger Interaktion entstanden, sich wandelten und entwickelten. Besonders interessiert er sich für die Übersetzungsgeschichte und -prozesse, die Kanonbildung sowie die Text-, Begriffs- und Wirkungsgeschichte, welche er durch vergleichende philologische Untersuchungen von Primärquellen in Sanskrit, Pali, Tibetisch sowie Chinesisch erforscht. Demzufolge sind wichtige Teile seiner Arbeit die Ermittlung der grundlegenden Fragen von Zuschreibung und Chronologie der primären kanonischen Quellen, und hierbei die Analyse von sehr umfangreichen Mengen digitalisierter Korpora mit Hilfe von selbstentwickelten, bahnbrechenden Software-Werkzeugen. Trotz seines Schwerpunkts auf China, betrachtet er nichtsdestotrotz den Buddhismus, auch wie er lokal in China zu beobachten ist, keinesfalls als ein rein „chinesisches“ Phänomen, sondern als region- und kulturübergreifendes, höchst wandlungsreiches kulturelles, intellektuelles und religiöses „Suprasystem“, das in mancher Hinsicht bestens als Ganzheit begreifbar ist. Dementsprechend beinhalten seine Veröffentlichungen auch Abhandlungen zu Themen des Buddhismus Indiens und Tibets. Radich’s Mitarbeiter Ruixuan Chen ergänzt diese Perspektiven durch Forschung zum Buddhismus Zentralasiens, mit Schwerpunkten auf der Untersuchung vielsprachiger Quellen, Handschriften, textueller Materialität, und transkultureller Dynamiken.

 

Klassische Sinologie

Prof. Dr. Enno Giele |  

In der Lehre erstreckt sich der Bereich von Enno Giele auf das China von den Anfängen bis in die Zeit vor der wesentlichen Einflussnahme durch westliche Mächte in der Mitte des 19. Jahrhunderts (Opiumkriege). Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Institutionen-, Sozial- und Kulturgeschichte des klassischen Altertums (ca. 5. Jh. vuZ bis 3. Jh. uZ). Seine Mitarbeiter erforschen teils die vorangehende archaische Epoche, teils das nachfolgende Mittelalter (bis ca. 10. Jh.). Laufende Forschungsarbeiten sind das Center for Ancient Chinese Texts and Images (CATI), welches handschriftliche und bildliche Primärquellen des Altertums aufarbeitet, sowie Projekte zu Ritus und Königtum im archaischen China auf der Grundlage von Bronzeinschriften (Dr. Paul Nicholas Vogt), Standards, Normen und individuelle Schreibergewohnheiten in der Handschriftenkultur der frühen Kaiserzeit (Thies Staack, SFB-Projekt), und zu Geld sowie zum Militär im Altertum (Enno Giele).

 

Kultur und Geschichte des neueren China im ostasiatischen und internationalen Kontext

Prof. Dr. Gotelind Müller-Saini |  

China ist nicht nur in sich äußerst vielgestaltig, sondern auch eingebunden in regionale und internationale Zusammenhänge. In ihrer Arbeit beschäftigt sich Gotelind Müller-Saini allgemein mit chinesisch-japanisch-westlichen (inklusive chinesisch-russischen) kulturellen Austauschprozessen. Im Einzelnen beinhaltet ihre Arbeit Themen wie aktuelle Repräsentationen chinesischer wie nicht-chinesischer Geschichte in Chinas Schulen und Medien, Ansätze zu einer regionalen Geschichte „Ostasiens“, Kulturvermittler als historische Akteure, Transferprozesse kultureller Konzepte und Begriffe, chinesisch-japanische Kulturbeziehungen seit dem 19. Jahrhundert, Chinas Umgang mit kulturellem Erbe, Sprachpolitik in China, die Rolle von Buddhismus und Christentum in der Moderne, sowie politisch-kulturelle Bewegungen des späten 19. und des 20. Jahrhunderts. Ihre Mitarbeiterin Dr. Mariana Münning ergänzt dies mit einem Fokus auf Linguistik, Sprachreform und Sprachpolitik im 20. Jahrhundert.

 

Kulturwissenschaftliche Zugänge zu China: Bilder, Kunst und Musik im globalen Kontext

Prof. Dr. Barbara Mittler |  

Chinas Kulturgeschichte ist maßgeblich vom Dialog mit dem „Anderen“ bestimmt. Barbara Mittler untersucht die vielfältigen Facetten dieses Dialogs: multiperspektivische und multimediale Ansätze werden genutzt, um scheinbar wohletablierte Annahmen zum Hergang chinesischer Geschichte in Frage zu stellen: oral history, close und conjunctive readings von Bild, Text und Musik, Zugänge aus den Digital Humanities und nicht zuletzt der multidisziplinäre Dialog mit Wissenschaftlern, die auf andere Regionen als China spezialisiert sind, stehen dabei im Zentrum ihrer Tätigkeiten am Institut für Sinologie und am Heidelberger Centrum für Transkulturelle Studien. In ihren Forschungsarbeiten fragt sie nach den Funktionen von kultureller Produktion im täglichen (historischen) Erleben und ihre (affektive) Überzeugungskraft und Persistenz im kulturellen Gedächtnis: von der klassischen Musik über die Print- und Presselandschaft der Shanghaier Moderne, zur Propagandakunst, vom Drei-Zeichen-Klassiker über den Kannibalismus als Topos in der chinesischen Literatur zur Produktion globaler Helden wie Gandhi und Mao, betrachtet sie gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen Marina Rudyak (MA: Die Rolle Chinas in der internationalen Entwicklungshilfe), Emily Graf (MA: Autorenmuseen in transkultureller Perspektive: Schiller, Lu Xun, Lai He) und Liying Sun (Dr.: Hollywood in Shanghai) ein breites Spektrum von Quellen, die von unterschiedlichsten Formen der Mehrstimmigkeit geprägt sind. Ihr besonderes Anliegen ist die Förderung der Beschäftigung mit Taiwans Geschichte und Gegenwart.

 

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft des heutigen China

Prof. Dr. Anja Senz |  

China ist durch seine dynamische Wirtschaftsentwicklung ein Land im Umbruch. Anhand verschiedener Politikfelder wie ländliche Entwicklung , Umweltschutz, Korruptionsbekämpfung, Arbeitsmigration, trans-lokale Beziehungen und die Gestaltung der chinesischen Außenbeziehungen untersucht Anja Senz, wie sich Normen, Regeln und Standards in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft verändern und sich insbesondere lokale Politik und Verwaltung an neue Herausforderungen anpasst. Dabei geht es ihr darum, auch in international vergleichender Perspektive die gesellschaftlichen Bedingungen politischer Ordnung, den Ablauf politischer Entscheidungsprozesse, die Wirkung von Politik auf Gesellschaft und die Wechselwirkungen zwischen Politik und Wirtschaft zu analysieren und einzuordnen. Mit ihrem Team interessiert sie sich dafür, wie sich Chinas Beziehungen zu anderen Ländern gestalten. Untersucht werden hier Aspekte der sino-japanischen Beziehungen („Inselstreitigkeiten“) sowie die Folgen regionaler Kooperation in der Grenzregion Südwestchina, Myanmar, Nordostindien, Bangladesch („südliche Seidenstrasse“).

 

Wissens- und Kulturgeschichte Chinas

Prof. Dr. Joachim Kurtz |  

Chinas Weisheit erschöpft sich keineswegs in den vermeintlich zeitlosen Einsichten eines oft und gern missbrauchten Konfuzius. Vielmehr steht die chinesische Geistes- und Wissenschaftsgeschichte der europäischen in ihrer Vielfalt, Radikalität und Widersprüchlichkeit keineswegs nach. Diesen Reichtum in seinen sozialen und kulturellen Bezügen zu erschließen ist das Ziel von Lehre und Forschung im Arbeitsbereich von Joachim Kurtz. Seine Arbeiten kreisen um Fragen der Produktion, Verbreitung und Übersetzung von Wissen ganz unterschiedlicher Art — von Philosophie, Logik und Naturwissenschaften bis zu Literatur und Politik — innerhalb von und im Austausch zwischen Kulturen, Regionen, Sprachräumen und Milieus. Laufende Projekte befassen sich u.a. mit Praktiken der Argumentation, dem Wandel von Zeitvorstellungen, und Transformationen der chinesischen Buchkultur. Ergänzt wird das Team durch Dr. Martin Hofmann, der sich mit der chinesischen Wissenschaftsgeschichte seit dem 10. Jahrhundert, mit besonderen Schwerpunkten auf der Geschichte der Kartographie und dem Verhältnis von Text, Bild und Kommentar, beschäftigt und Dr. Pablo Blitstein, der den Beziehungen zwischen Literatur und Politik vom chinesischen Mittelalter bis in die Gegenwart nachgeht und untersucht, wie literarische Praktiken soziale Wirklichkeiten prägen.

 

 

 

Zuletzt bearbeitet von: SV
Letzte Änderung: 12.03.2024
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