Studium im Lockdown
Wie wir Studium und Lehre im Lockdown erleben
Das Abi naht und ich möchte danach gerne studieren, aber:
„Wie studiere ich im Lockdown? Wie funktionieren Vorlesungen, Seminare und Praktika, wenn ich gar nicht zur Uni gehen darf? Oder darf ich vielleicht doch an die Uni kommen? Lerne ich alles, was für meinen Abschluss in der Regelstudienzeit wichtig ist? Wie bekomme ich Kontakt zu meinen Mitstudierenden, um mich mit ihnen auszutauschen, wenn wir uns nicht bei den Veranstaltungen im Institut treffen?“
Viele solcher Fragen gehen jetzt den Schülerinnen und Schülern durch den Kopf, für die bald die Entscheidung ansteht: jetzt studieren, ja oder nein. Deshalb haben wir uns gedacht, einfach einen kleinen Blick hinter die Kulissen zu geben und zu berichten, wie wir hier am Institut für Geowissenschaften der Uni Heidelberg den Lockdown erleben und versuchen, das Beste aus einer schwierigen Situation zu machen.
Vorab können wir schon eins sagen, obwohl das wahrscheinlich komplett überflüssig erscheint, da es in fast jedem Bereich so empfunden wird: es war und ist nicht einfach, weder für die Studierenden noch für die Dozierenden! Für uns alle gab und gibt es neue Herausforderungen. Aber: es läuft trotzdem ausgesprochen gut!
Der erste Tag des Studiums, viele neue Leute treffen, die Dozenten kennenlernen, den Sprung in einen ganz neuen spannenden Lebensabschnitt feiern – nur ein Traum für die Erstsemesterstudierenden (Erstis) im Wintersemester 20/21. Stattdessen hieß es, jeder für sich - und durchaus in dem einen oder anderen Fall auch etwas einsam - zuhause vor dem Computer zu sitzen und sich zunächst alleine durchzubeißen. Doch in den ersten Online-Veranstaltungen wurde von Dozierenden und vor allem auch von studentischen Tutoren der Austausch von Kontaktdaten ermöglicht und koordiniert, so dass zumindest ein Netzwerk für die Kommunikation untereinander geschaffen werden konnte.
Wer aber kann bei den ganzen organisatorischen Fragen helfen, die die Mitstudierenden auch nicht beantworten können, oder einfach einen Rat geben, wenn man mal so gar nicht weiter weiß? Eigentlich die Studienberatung des Instituts, die Fachschaft und die Dozierenden, die immer gerne bereit sind, aufkommende Fragen zu klären. Aber vielleicht ist da am Anfang des Studiums doch einfach die Hemmschwelle ein bisschen größer, vor allem, wenn man niemanden persönlich kennt, als wenn man jemanden fragen kann, der im gleichen Boot sitzt oder der im Studium schon ein bisschen weiter ist und mehr Erfahrung hat. Daher haben wir nach Weihnachten das „Buddyprogramm“ ins Leben gerufen, ganz nach dem Motto „von Studierenden für Studierende“, bei dem jeder Ersti einen Studierenden aus einem höheren Semester als Ansprechpartner/in bekommen hat. Die Buddys sind schon „alte Hasen“ am Institut, können sich aber noch gut an ihr erstes Semester und die ganzen aufkommenden Unklarheiten, Probleme und Sorgen erinnern. Die Buddys sind für „ihre“ Erstis jederzeit ansprechbar, bieten aber auch Online-Treffen in Kleingruppen mit anderen Erstis an. Das Buddyprogramm soll auch im kommenden Wintersemester 21/22 für die neuen Erstis beibehalten werden.
Auch die Dozierenden sahen sich plötzlich vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Diese waren zum Teil technischer Natur, denn es galt, die gleichen Inhalte, die vorher immer in Präsenzvorlesungen, -seminaren, und -praktika gelehrt wurden, nun digital zu vermitteln. Neues Programm für Videokonferenzen und „Live“-Vorlesungen, neue Software zum Schneiden und Vertonen von Videos, neue Kameras und Headsets, neue Tools für Chats, Umfragen und Quiz. Das bedeutete nicht nur einfach, Kreide und Laserpointer zur Seite zu legen und sich an den Computer zu setzen, sondern erforderte viel Zeit, sich in neue Programme einzuarbeiten und für den Hörsaal konzipierte Vorlesungen für die digitale Lehre umzugestalten. Für viele Dozierenden waren dies lange Tage und durchgearbeitete Wochenenden, um Vorlesungen oder die Durchführung von Versuchen auf Video aufzunehmen, zusammen zu schneiden, zu vertonen und in eine präsentable Form zu bringen.
Für einige wenige Laborpraktika, die ohne die Präsenz der Studierenden im Labor nicht durchgeführt werden können, die aber für einen verzögerungsfreien Studienverlauf notwendig sind, konnten unter Vorlage eines strengen Hygienekonzeptes Ausnahmegenehmigungen beantragt werden, so z.B. für den Lichtmikroskopie-Kurs. Auch die Einführung in die Arbeit an analytischen Geräten wurde durch eine 1:1-Betreuung der Studierenden durch den Dozenten möglich gemacht. Dies ging aber natürlich nur bei relativ kleinen Kursen. Für die Teilnehmenden an Präsenzveranstaltungen wurde ebenfalls einmal pro Woche ein Corona-Schnelltest angeboten.
Was aber macht man, wenn der fürs Studium grundlegende Gesteins- und Mineralbestimmungskurs aufgrund der hohen Teilnehmerzahl nicht in Präsenz stattfinden kann? Es ist keine Lösung, die optischen Eigenschaften der Minerale auf dem Bildschirm zu zeigen und zu sagen: „Ihr müsst mir jetzt einfach glauben, dass dieses Mineral einen Kratzer in Glas ritzen kann und damit recht hart ist“. Das ist einmal, zu Beginn des ersten Lockdowns, wenig zufriedenstellend verlaufen und schreit nicht nach Wiederholung. Stattdessen gilt „Probieren geht über Studieren“, also das Gestein oder Mineral in den eigenen Händen zu halten, mit der Lupe genau zu betrachten, oder Ritztests durchzuführen. Die Lösung für dieses Problem war, die Gesteine und Minerale zu den Studierenden zu bringen, in Form von Koffern, die von den Studierenden wie Bücher ausgeliehen und zum Üben zuhause verwendet werden konnten. Dafür haben wir wochenlang Minerale und Gesteine zusammengesucht, zurechtgeschlagen und gesägt, alles in 36-facher Ausführung. Jedes einzelne Stück sowie sein Platz im Koffer wurden mit einem Etikett versehen, insgesamt ca. 3100 Stücke. Dem Feedback der Erstis nach zu urteilen, hat sich der schweißtreibende Marathon gelohnt, und es stehen auch schon 18 neue Koffersätze mit insgesamt ca. 1800 Mineralen für das zweite Semester abholbereit zur Verfügung.
Bei Exkursionen, die einen wichtigen Teil der Ausbildung von Geowissenschaftlern darstellen, hat sich die Sache schwieriger gestaltet. Einige wenige Exkursionen konnten zwischen den beiden Lockdowns durchgeführt werden, aber die meisten, vor allem diejenigen, die im Ausland stattfinden sollten, mussten abgesagt bzw. verschoben werden. Von daher stehen noch einige Exkursionen aus, die hoffentlich diesen Sommer nachgeholt werden können. In den Fällen, in denen Studierende nur noch die Punkte für eine Exkursion benötigten, um ihren Abschluss machen zu können, wurden flexibel Ersatzleistungen anerkannt.
Fazit:
Trotz aller Schwierigkeiten hatten die Corona-Semester auch positive Auswirkungen. Situationsbedingt haben wir einen Anstoß für die Modernisierung der Lehre bekommen, und wir haben diese Chance genutzt und den Einstieg in modernere Wissensvermittlung in Angriff genommen. Zum Beispiel zahlt sich der Mehraufwand für die Vorbereitung von Video- und Audioveranstaltungen langfristig aus, da viele Studierende mit den aufgezeichneten Veranstaltungen in ihrem eigenen Tempo lernen können. Außerdem erleichtern moderne Kommunikationsmedien wie Chats oder Videokonferenzen den Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden. Wir haben alle viel gelernt, und die eine oder andere Modernisierung wird auch in Zukunft und nach Zeiten des Lockdowns beibehalten oder in klassische Formate integriert werden. Es ist allerdings auch klar geworden, dass alle Technik den persönlichen Austausch und das vielschichtige soziale Miteinander, welches in „normalen“ Zeiten an unserem kleinen, recht familiär funktionierenden Institut zwischen Dozierenden und Studierenden stattfindet, nicht ersetzen kann. Wir sind aber optimistisch, dass auch unter diesen erschwerten Bedingungen ein erfolgreiches Studium möglich ist und freuen uns auf die neuen Studienanfänger an unserem Institut.