Doktoranden
Abgeschlossen:
Uwe Korn
Vom Positivismus zur Textologie. Zur Geschichte der Editionswissenschaft zwischen 1890 und 1970.
Die neugermanistische Editionswissenschaft hat große Veränderungen durchlaufen. Während die 1887 begonnene Weimarer Goetheausgabe im Zentrum der Germanistik stand, verließ die Editionswissenschaft bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts das Zentrum der germanistischen Forschung zugunsten einer Etablierung als eigenständige, methodisch ausdifferenzierte Teildisziplin. Dieser Wandel soll theoretisch, institutionell und editionspraktisch erklärt werden.
Disputation Herbst 2017
Publikation: Uwe Maximilian Korn: Von der Textkritik zur Textologie. Geschichte der Editionsphilologie bis 1970 (Beihefte zum Euphorion 114), Heidelberg 2021.
Joana van de Löcht
Literarisierung und Umgestaltung von Ernst Jüngers Tagebüchern des Zweiten Weltkriegs
Den drei Tagebuchpublikationen Ernst Jüngers aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und der direkten Nachkriegszeit – „Gärten und Straßen“ (1942), „Strahlungen“ (1949) sowie „Jahre der Okkupation“ (1958) – liegen mehrere handschriftliche Vorstufen zu Grunde. Der Erstpublikation folgen des Weiteren bis zu drei weitere Fassungen. Ziel der Arbeit ist es, die Umarbeitungsprozesse von der ersten Niederschrift bis zur Erstpublikation und darüber hinaus zum einen werkspezifisch, zum anderen thematisch nachzuvollziehen. Darauf aufbauend sollen Aussagen über die Anpassungen der Texte an äußere Umstände getroffen sowie Jüngers Strategien der Selbstdarstellung und Ästhetisierung sichtbar gemacht werden.
Disputation Januar 2018
Publikation: Joana van de Löcht: Aufzeichnungen aus dem Malstrom. Die Genese der "Strahlungen" aus Ernst Jüngers privaten Tagebüchern (1939–1958), Frankfurt a. M. 2018 (Das Abendland. Neue Folge 42).
Katharina Worms
Wissensspeicher der frühen Neuzeit. Daniel Casper von Lohensteins Anmerkungen zu seinen Trauerspielen
Seinen vier Geschichtsdramen Agrippina (1665), Epicharis (1665), Cleopatra (1661/1680) und Sophonisbe (1680) hat der ‚spätbarocke‘ Dichter Daniel Casper von Lohenstein enzyklopädische Anmerkungsapparate beigegeben. Darin werden vorwiegend lateinische, aber auch griechische, französische und spanische Texte aus nahezu allen Wissensbereichen und Gattungen von der Antike bis zur frühen Neuzeit zitiert. In der Dissertation sollen diese Anmerkungsapparate hinsichtlich ihrer Funktion sowie hinsichtlich des Traditions- und Rezeptionsverhaltens des Autors untersucht werden. Eine zentrale These des Projekts ist, dass es sich bei Lohensteins gelehrten Anmerkungen um einen sinntragenden Kommentar zum Dramentext handelt, der erst durch Ausdeuten der intra- sowie intertextuellen Verweise verständlich wird.
Disputation März 2021
Sofia Derer
Das Dissertationsprojekt befasst sich – ausgehend vom Übersetzen – mit frühneuzeitlichen Schreib- und Publikationspraktiken am Beispiel des Dichters und Gelehrten Johann Michael Moscherosch (1601–1669). Dabei werden Texte unterschiedlicher Gattungen (Satire, Erbauungsbuch, Sprachlehrbuch u.a.) im Hinblick auf ihre Entstehungszusammenhänge untersucht. Moscheroschs Übersetzungen, Adaptationen und Wiederherausgaben entstanden häufig als Teil komplexer Rezeptions- und Aneignungsprozesse, die ihren Ursprung nicht selten anderswo in Europa, etwa in England oder Spanien, nahmen, bevor die jeweiligen Texte zumeist in Gestalt französischer Übersetzungen an Moscherosch gelangten. In diesem Kontext zentral ist die Frage danach, wie die ‚Reisen‘ der Texte durch eine Reihe von Akteuren – etwa Autoren, Übersetzer, Herausgeber oder Buchdrucker und -händler – beeinflusst wurden, wenn diese die Texte ihren jeweiligen Motivationen und (konfessionspolitischen) Umfeldern entsprechend modifiziert oder akzentuiert haben. Dies ist unmittelbar verbunden mit den Fragen, wie sich derartige Eingriffe in einem bestimmten Text auf die Rezeption durch Moscherosch ausgewirkt haben mögen, von welchen Faktoren Moscheroschs eigenes Schreiben abhängig war, und wie Moscherosch selbst mit den ihm vorliegenden Texten verfahren ist.
Disputation Juli 2023
Björn Thesing
Die Genese des „Dritten Humanismus“. Wegmarken der Kultur- und Bildungskritik in Deutschland 1871–1921.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert befindet sich der Humanismus in der Krise. Im Kontext des Siegeszugs der zivilisatorischen Moderne verliert er besonders in der Gründerzeit vermehrt an Bedeutung. Für Literaten, Dichter, Philosophen, Philologen und Kulturkritiker gab das wiederholt Anlass, sich mit der Frage nach der zeitgenössischen Geltung der (neu-)humanistischen Bildungstradition im Besonderen sowie der Frage nach dem Stellenwert von humanistischer Bildung im Allgemeinen zu befassen.
Die Dissertation verfolgt problem- und ideengeschichtlich anhand exemplarischer Wegmarken die unterschiedlichen philosophischen, literarischen und kulturkritischen Entwicklungslinien, welche zusammengenommen einen Teil der Vorgeschichte des „Dritten Humanismus“ ausmachen, wie der Berliner Philosoph und Pädagoge Eduard Spranger ihn am 27. September 1921 erstmals proklamiert hat. Schwerpunktmäßig wird dabei eine philosophisch-ästhetische Tradition verfolgt, die den konstitutiven Einfluss des zeitgenössischen Neuidealismus (insbesondere von Rudolf Eucken) auf die Entstehung neuer Humanismen nach der Jahrhundertwende nachweist. Da in diesen Kontexten die von der Humanitätsphilosophie selbst aufgeworfene Frage, ob nach 1900 die Literaturproduktion ihre humanistische Agenda abzubilden in der Lage ist, verneint werden muss, plädiert das Projekt im Unterschied zur jüngeren literaturwissenschaftlichen Humanismus-Forschung für einen differenzierten Begriff des „Dritten Humanismus“. Dieser wird nicht als Dachbegriff für alle Erscheinungsformen des zeitgenössischen humanistischen Denkens verstanden und exkludiert vor allem die Neubelebungen der humanistischen Tradition aus dem Bereich des literarischen Ästhetizismus um die Jahrhundertwende.
Disputation Dezember 2023
In Arbeit:
Max Diehm
Max Kretzer – Soziales Erzählen vom frühen Naturalismus bis in die Weimarer Republik (Arbeitstitel)
Max Kretzer gehört zu den in der germanistischen Forschung bislang weniger beachteten Schriftstellern des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts. In dieser Arbeit soll das umfangreiche Gesamtwerk Kretzers in den Blick genommen, kontextualisiert, zur Gänze erfasst und in Teilen repräsentativ analysiert und interpretiert werden. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf Kretzers sozial engagiertes Schreiben gelegt, das sich nicht nur inhaltlich durch die Themenwahl, sondern auch durch die spezifische narratologische Faktur der Texte unter dem Stichwort ‚soziales Erzählen‘ beschreiben und einordnen lässt. Angelehnt an den etablierten Begriff des sozialen Romans soll soziales Erzählen auch die Kurzprosa miteinschließen und neben thematischen Schwerpunkten auch eine narratologische Kategorie umfassen.
Marina Stracquadanio
Im Laufe des 16. Jahrhunderts entstand eine hybride Kunstform, die Kunstform des Emblems. Diese Text-Bild-Kombination wurde zum Bestandteil frühneuzeitlicher Wissensordnung und verbreitete sich als zentrale Kulturtechnik im gesamteuropäischen Raum über alle nationalen und konfessionalen Grenzen hinweg. Im Dissertationsprojekt geht es um die Frage, wie Tradition durch die Verwendung und die Verbreitung von Emblemen durch den Jesuitenorden in Europa konstruiert, entfaltet und geprägt worden ist. Exemplarisch werden zur Erschließung der jesuitischen Traditionsbildung im deutschen Kulturraum folgende Akteure berücksichtigt: Ernst Bidermann, Andreas Brunner, Petrus Canisius, Nicolas Caussin, Michel Cuvelier, Jeremias Drexel, Henricus Engelgrave, Hermann Hugo, Jakob Masen, Maximilian Sandt, Wenceslaus Schwerfer, Georg Spaiser und Antoine Sucquet. Ferner werden Emblembücher und Schriften von spanischen Akteuren, die starke Beziehungen zur Societas Jesu pflegten und die in Deutschland am umfangreichsten rezipiert worden sind, insbesondere die Werke von Diego de Saavedra Fajardo, Baltasar Gracián und Lorenzo Ortiz de Buxedo, zur Untersuchung herangezogen. Zur Unterstützung der literaturhistorischen Abhandlung sollen die repräsentativen Emblembücher als Korpus in einer Datenbank erfasst und systematisch strukturiert werden. Schwerpunkt der Dissertation ist die Rekonstruktion von Loci communes und der Überlieferungszusammenhang der europäischen schriftkulturellen Tradition von der Antike bis in die frühe Neuzeit.
Fiona Walter
Begriffs- und Metapherngeschichte des Übersetzens in gelehrten und erzählenden Texten aus dem deutschsprachigen Kulturraum des ‚langen‘ 17. Jahrhunderts (Arbeitstitel)
Während es im deutschsprachigen Kulturraum der frühen Neuzeit eine florierende Übersetzungspraxis gab, ja sich die Literatur des 17. Jahrhunderts durch Übersetzungen vor allem aus den benachbarten Volkssprachen geradezu konstituierte, sind theoretische Äußerungen über das Übersetzen in der Zeit eine Seltenheit. Fragt man allerdings nach nicht-buchstäblichen Reflexionsformen, etwa Metaphern, Topoi oder narrativen Inszenierungen innerhalb des zeitgenössischen Übersetzungsdiskurses, lässt sich eine semantisch vielschichtige ‚Metasprache‘ des Übersetzens erkennen. Untersucht wird diese in gelehrten Texten wie Poetiken, poetologischen Lehrdialogen, Kommentaren, Rezensionen und Traktaten, in den Paratexten von übersetzter Erzählliteratur (Vorreden, Widmungen in Prosa, Dedikationsgedichte u.Ä.) sowie in fiktiven Übersetzungsszenen innerhalb von Erzähltexten selbst. Ziel des Dissertationsprojekts ist eine Begriffs- und Metapherngeschichte des Übersetzens, die frühneuzeitliche Auffassungen vom Übersetzen in ihren jeweiligen Kontexten und Traditionsbezügen rekonstruiert und dadurch eine Historisierung zentraler literatur- und übersetzungstheoretischer Konzepte wie denen der Treue, des sprachlich-kulturellen Transfers oder der Originalität ermöglicht.
Max Behmer
Guanqing Zhou
Ästhetische Illusionen, tragische Leidenschaften und die damit verbundene Moralphilosophie waren Hauptanliegen in der Literatur der Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts. Christian Felix Weiße (1726-1804), der an den Rand der Literaturgeschichtsschreibung geriet, trug mit seinen Tragödien eine andere Stimme zu diesen Themen bei. Anhand von Lessings Kritik an Weiße in der Hamburger Dramaturgie als "Tatort des Diskurses" soll in dieser Arbeit das komplexe Ideensystem der Aufklärung in Bezug auf die oben apostrophierten Themen untersucht werden - Ästhetik war immer mit Anthropologie, Moralphilosophie und in diesem Fall sogar mit der politischen Situation der sogenannten "Leipziger Aufklärung" verflochten. Darüber hinaus wird die Geschichte der Shakespeare-Rezeption in Deutschland als ein wichtiger Einflussfaktor untersucht, und die Arbeit wird sich daher auch mit der Affektlehren in der elisabethanischen Theaterproduktion befassen.
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Kai Gräf
Obwohl atheistische Überzeugungen im Europa der Frühen Neuzeit eine Ausnahme blieben, wurde das Phänomen des Unglaubens kontrovers diskutiert. Angesichts philosophischer Säkularisierungstendenzen und realgeschichtlicher Dechristianisierungserfahrungen diente das Schreckgespenst des Atheismus nicht nur als beliebtes Motiv der Zeitdiagnostik, sondern wurde auch als Diffamierungsbegriff für heterodoxe Positionen gerne herangezogen. Am Ende des 18. Jahrhunderts erlebte die Debatte einen spektakulären Höhepunkt im sogenannten Atheismusstreit. Das Dissertationsprojekt befasst sich mit der Vorgeschichte dieser Auseinandersetzung, indem es die verschiedenen Facetten der spätaufklärerischen Diskussion um den Unglauben in den Blick nimmt: als historisches und philosophisches Problem, als politische Kategorie, als individuelles Bekenntnis, als Zuschreibung und Feindbild, als literarisches Motiv. An der Schnittstelle von Literaturwissenschaft, Geschichtswissenschaft und Philosophiehistorie soll die Arbeit nicht nur einen Beitrag zur Ideengeschichte weltlicher Heterodoxien leisten, sondern auch an aktuelle Forschungsdebatten über den Zusammenhang von Aufklärung und Religion anschließen.
(Betreuung: Prof. Dr. Björn Spiekermann)