Auf der Suche nach dem Optimum
Die Mathematikerin Katja Mombaur orientiert sich am Vorbild der Natur, um Robotern das Laufen beizubringen.
Im Zimmer von Katja Mombaur steht ein mannshohes Skelett, und eine große Schautafel an der Wand nennt noch den allerkleinsten der mehr als 200 Knochen des Menschen beim Namen. Das sind unerwartete Accessoires im Arbeitsbereich einer Ingenieurin und Mathematikerin. „Unser wichtigstes Forschungsziel ist es, die menschliche Bewegung besser zu verstehen“, erklärt Katja Mombaur. Denn wie Menschen gehen oder rennen, wie sie gestikulieren oder wie sich ihre Bewegungen verändern, wenn sie wütend sind oder sich freuen, ist letztlich noch immer ein Rätsel.
Genau zu wissen, wie Knochen, Muskeln und Nerven zusammenspielen, um komplexe Bewegungsabläufe entstehen zu lassen, ist grundlegend für die verschiedenen Anwendungen, die auf dem Wunschzettel von Mombaurs Forschergruppe „Optimierung in Robotik und Biomechanik“ am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) stehen. Die Heidelberger Mathematikerin und ihre Mitarbeiter wollen beispielsweise humanoiden Robotern zu menschenähnlicheren Bewegungen verhelfen und sie so fit machen für Tätigkeiten, die für den Menschen gefährlich sind – etwa das Suchen und Entschärfen von Minen, das Löschen von Bränden oder das Aufräumen nach Katastrophen. Wichtiger ist Katja Mombaur jedoch der medizinische Nutzen, der aus ihren Forschungsarbeiten gezogen werden kann. Als Beispiel nennt sie intelligente und optimal ausgelegte Prothesen, die die biologische Funktion einer verlorenen Gliedmaße möglichst vollständig ersetzen können.
Genau wie die Bewegungen einfacher Körper mathematisch beschrieben werden könnten – etwa der berühmte fallende Apfel von Isaac Newton –, ließen sich auch die komplexen Bewegungen des Menschen in Algorithmen fassen und am Computer modellieren, simulieren und optimieren, erklärt Katja Mombaur. Während ihrer früheren Arbeiten am LAAS-CNRS, einer großen Forschungsstätte in Toulouse, brachte sie einem der besten humanoiden Roboter der Welt auf diese Weise das Jo-Jo-Spielen bei. Die dafür erforderliche Sensibilität vermittelte die Forscherin der menschenähnlichen Maschine, indem sie zuerst das Jo-Jo-Spiel des Menschen analysierte, das komplexe Geschehen in einzelne Phasen zerlegte und jede Bewegungsabfolge mit einem eigenen mathematischen Modell beschrieb. Das Ergebnis ist ein Roboter mit einer erstaunlich spielerischen Fingerfertigkeit.
2010 wechselte die Mathematikerin von Frankreich nach Heidelberg, wo sie auf eine Startprofessur im Rahmen des Programms „Karrierechancen für Nachwuchswissenschaftler“ des Zukunftskonzepts berufen wurde. Die Exzellenzinitiative, sagt Katja Mombaur, habe es ihr ermöglicht, „eine große und sehr aktive Arbeitsgruppe zu einem sehr interessanten Grundlagenthema mit vielversprechenden Anwendungen aufzubauen“.
Derzeit untersucht diese Arbeitsgruppe, wie sich die Stabilität zweibeiniger Roboter verbessern lässt. „Die meisten fallen um, wenn man ihnen schnellere Bewegungen aufzwingt“, sagt Katja Mombaur. Auch dafür gilt es, zunächst das Original zu beobachten und zu verstehen, was eigentlich den menschlichen Gang so stabil macht. Und um dem im Laufe der Evolution in Millionen Jahren optimierten biologischen Vorbild noch näherzukommen, ist es schließlich auch notwendig, die Emotionen bei den Bewegungen zu berücksichtigen. Daran arbeitet Katja Mombaur gemeinsam mit Kognitionswissenschaftlern: Sie analysieren beispielsweise, wie sich die Haltung des Körpers verändert, wenn ein Mensch traurig, erfreut oder wütend ist, und lassen diese Erkenntnisse in ihre mathematischen Modelle einfließen.
„In erster Linie betreiben wir Grundlagenforschung “, betont Katja Mombaur. Um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden und den Erkenntnisprozess zu optimieren, sei es erforderlich, viele Brücken von der Disziplin des Wissenschaftlichen Rechnens zu anderen Forschungsbereichen zu schlagen, sei es zur Ingenieurwissenschaft, zur Psychologie, Biologie oder Medizin. An ihrer eigenen „Optimierung“, gesteht die agile Wissenschaftlerin mit einem Augenzwinkern, feile sie allerdings noch. Zurzeit arbeite sie vorwiegend in der Nacht: „Meiner beiden Kinder wegen.“ Auf Dauer mit sehr wenig Schlaf auszukommen – das sei ein Problem, das sie noch lösen müsse.
Kurzbiographie
Prof. Dr. Katja Mombaur
Katja Mombaur hat Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart und in Toulouse studiert und im Jahr 2001 in Mathematik promoviert. Seit 2010 ist sie Professorin am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen der Universität Heidelberg. Dort leitet sie die Arbeitsgruppe „Optimierung in Robotik und Biomechanik“ sowie das Robotiklabor. Die Schwerpunkte ihrer wissenschaftlichen Arbeit sind die Modellierung, Simulation und Optimierung von anthropomorphen Systemen, also von Menschen, humanoiden Robotern und virtuellen Charakteren.