Personifikation, Poetik und Geschlecht
Wenn Frau Aventiure an das Herz der Erzählerfigur des Parzival klopft oder die personifizierte Natur den Körper der Protagonistin des altfranzösischen Roman de Silence modelliert, verweisen diese beiden Personifikationen möglicherweise auf das Dichten selbst.
Die Autorität des Dichtens war vor allem männlichen Dichtern bzw. Erzählern vorbehalten – in langer Tradition der Autorität des göttlichen Wortes und der auctores. Wie aber steht ein dezidiert männlicher Erzähler zu solchen weiblichen Personifikationen, mit denen er in einen Dialog tritt bzw. die offensichtlich einen Zugriff auf seine Dichtung besitzen, und was geschieht, wenn eine Dichterin wie Christine de Pizan sie einsetzt?
Anhand verschiedener mittelalterlicher Texte sollen die Gestaltung der Personifikationen und ihre Funktion für poetologische Selbstaussagen untersucht werden. Dabei interessiert, ob und inwiefern ein Zusammenhang von Dichtung, im weiteren Sinne Sprache, und Geschlecht besteht. Das Projekt fragt also mittels des Prinzips ‚Personifikation’ nach dem Verhältnis von Poetik und Geschlecht, Sprache und Körper. Es nimmt in einem komparatistischen Ansatz sowohl deutsche als auch französische Werke vor allem des 13. Jahrhunderts in den Blick.
Zur Person
Julia Rüthemann (assoziiertes Mitglied)
Universität Heidelberg
Transcultural Studies
Marstallstraße 6
69117 Heidelberg
Tel.: 06221 54- 7857
Fax 06221/5478-62
ruethemann@uni-heidelberg.de
Vita
Studium der Germanistik (Mediävistik, neuere Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft) und Biologie an der Georg-August-Universität Göttingen, Lunds Universitet (Schweden) und der Université de Franche-Comté, Besançon (Frankreich). 1. Staatsexamen im Juli 2007 mit Staatsexamensarbeit im Fach Mediävistik: Das Herz als imaginärer Raum. Aspekte einer Minnesangmetapher. Anschließend einjähriges Master-Studium im Fach Medieval Studies am Centre for Medieval Studies der University of Toronto (Kanada), im Rahmen eines Fellow- und Teaching-Assistantship und des Connaught Tuition Award. Von Oktober 2008 bis August 2011 Wissenschaftliche Mitarbeitern der Nachwuchsgruppe ‚Prinzip Personifikation'.
Vorträge
- „Space and Person(i)fic(a)tion“, 46th International Congress on Medieval Studies, Kalamazoo, Michigan, USA, 12.-15. Mai 2011.
- „Der Troubadour und die America – Das Prinzip Personifikation und Geschlechtercodes“ im Rahmen der Tagung „Verflochtene Lebenswelten – 16. Fachtagung des Arbeitskreises Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit“, Stuttgart Hohenheim 4.-6. November 2010 (zusammen mit Miriam Oesterreich).
- „Flackernde Bilder und Körper, die keine sind. Gender-poetologische Aspekte der Personifikation“ im Rahmen der Tagung „(De)formierte Körper. Wahrnehmung des Anderen im Mittelalter“, Universität Göttingen 1.-3. Oktober 2010.
- “From Space to Personification and Back. Reading Gender into Wolfram’s aventiure” im Rahmen des “German Studies Symposium: Spatial Practices – Medieval Modern”, University of Toronto 8.-9. April 2010.
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„Personifikation, Poetik und Geschlecht im Roman de Silence“ im Rahmen des Seminars „Der weibliche Körper in allegorischen Projektionen: Vom Rosenroman zur Lady Liberty“ (Leitung Dr. Cornelia Logemann), Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg 13. Mai 2009.